Rz. 360
Die Verpflichtung zur Zahlung des Rückkaufswertes bei Kündigung des Versicherungsnehmers oder Rücktritt oder Anfechtung des Versicherers besteht gem. § 169 Abs. 1 VVG nur bei Versicherungen, die Versicherungsschutz für ein Risiko bieten, bei denen der Eintritt der Verpflichtung gewiss ist. Unter § 169 VVG fallen damit (klassische und fondsgebundene) kapitalbildende Lebensversicherungen sowie Rentenversicherungen, wenn bei diesen eine Leistung im Todesfall vereinbart ist, z.B. Rückerstattung der gezahlten Prämien. Sofern während der Rentenbezugsphase eine Leistung im Todesfall erfolgt oder eine Rentengarantiezeit vereinbart ist, ist auch im Rentenbezug der "Eintritt der Verpflichtung des Versicherers gewiss". Teilweise wird daher vertreten, dass in diesem Fall während der Rentenphase ein Kündigungsrecht und ein Anspruch auf Zahlung eines Rückkaufswertes gem. § 169 VVG besteht. Keine Verpflichtung zur Auszahlung eines Rückkaufswertes besteht demgegenüber bei reinen Risikoversicherungen (z.B. Risikolebensversicherung, Restschuldversicherung). Einzelheiten zur Berechnung des Rückkaufswertes sind für klassische Lebens- und Rentenversicherungen in § 169 Abs. 3 VVG und für fondsgebundene Versicherungen in § 169 Abs. 4 VVG geregelt.
Rz. 361
Bei klassischen Lebens- und Rentenversicherungen entspricht der Rückkaufswert gem. § 169 Abs. 3 VVG dem nach anerkannten Regeln der Versicherungsmathematik, mit den Rechnungsgrundlagen der Prämienkalkulation unter Berücksichtigung der bilanz- und aufsichtsrechtlichen Regelungen der Deckungsrückstellung (§§ 341 f. HGB, 125 VAG) zum Schluss der laufenden Versicherungsperiode berechneten Deckungskapital der Versicherung. Bei einer Kündigung muss der Rückkaufswert mindestens dem Betrag des Deckungskapitals entsprechen, das sich bei gleichmäßiger Verteilung der unter Beachtung der aufsichtsrechtlichen Höchstzillmersätze angesetzten Abschluss- und Vertriebskosten, auf die ersten fünf Vertragsjahre ergibt (Mindestrückkaufswert). Soweit aufgrund von Vertragsänderungen während eines laufenden Versicherungsvertrags erneut Abschlusskosten anfallen (z.B. bei Zuzahlungen), muss auch der sich aus der Vertragsänderung ergebende Rückkaufswert mindestens dem Mindestrückkaufswert nach § 169 Abs. 3 S. 1 VVG entsprechen.
Rz. 362
Soweit § 169 Abs. 3 S. 1 VVG vorschreibt, dass der Versicherer einen Mindestrückkaufswert erbringen muss, der mindestens dem Deckungskapital entspricht, das sich bei gleichmäßiger Verteilung der unter Beachtung der aufsichtsrechtlichen Höchstzillmersätze angesetzten Abschluss- und Vertriebskosten auf die ersten fünf Vertragsjahre ergibt, kann dies nach hier vertretener Auffassung nur für Verträge mit einer Prämienzahlungsdauer von mindestens fünf Jahren gelten. Bei Versicherungsverträgen mit einer Prämienzahlungsdauer von weniger als fünf Jahren sind die Abschluss- und Vertriebskosten demgegenüber über die gesamte Prämienzahlungsdauer gleichmäßig zu verteilen. Bei Verträgen gegen Einmalbeitrag ist eine Verteilung der Abschluss- und Vertriebskosten nicht notwendig.
Rz. 363
Für Versicherer mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem anderen Vertragsstaat des EWR-Übereinkommens sieht § 169 Abs. 3 S. 3 VVG eine Sonderregelung vor, soweit das Recht des Sitzstaates ein Deckungskapital i.S.v. § 169 Abs. 3 VVG nicht kennt. Sofern ein solcher Versicherer einen Vertrag mit einem Versicherungsnehmer in Deutschland schließt, unterliegt der Versicherungsvertrag deutschem Recht (vgl. Art. 8 EGVVG). Um eine Benachteiligung dieses Versicherers gegenüber inländischen Versicherern zu verhindern, wird ihm das Recht eingeräumt, den Rückkaufswert nach einem Bezugswert zu berechnen, der dem Deckungskapital vergleichbar ist. In der Literatur wird teilweise vertreten, § 169 Abs. 3 VVG verstoße gegen Europarecht.
Rz. 364
Bei fondsgebundenen Versicherungen und anderen Versicherungen, die Leistungen der in § 125 Abs. 5 VAG bezeichneten Art vorsehen (aktienindexbezogene Versicherungen), berechnet sich der Rückkaufswert auch für Verträge mit Vertragsschluss ab dem 1.1.2008 – abweichend von § 169 Abs. 3 VVG – weiterhin nach den anerkannten Regeln der Versicherungsmathematik als Zeitwert der Versicherung (§ 169 Abs. 4 S. 1 VVG). Der Begriff des Zeitwerts stellt bei fondsgebundenen Versicherungen – anders als bei kapitalbildenden Versicherungen – im Wesentlichen kein Problem dar, da der Zeitwert bei fondsgebundenen Versicherungen in der Regel dem vorhandenen Fondsvermögen entspricht. Die Grundsätze der Berechnung des Zeitwerts sind gem. § 169 Abs. 4 S. 2 VVG im Vertrag anzugeben. Im Übrigen verbleibt es auch für fonds- und aktienindexgebundene Versicherungen bei der Regelung des § 169 Abs. 3 VVG. Bei Kündigung einer fonds- oder aktienindexbezogenen Versicherung muss der Rückkaufswert mindestens dem Zeitwert der Versicherung entsprechen, das sich bei gleichmäßiger Verteilung der unter Beachtung der aufsichtsrechtlichen Höchstzillmersätze ...