Rz. 77
Nach § 154 VVG ist dem Versicherungsnehmer bei Lebensversicherungen eine normierte Modellrechnung zu übermitteln, wenn der Versicherer im Zusammenhang mit dem Angebot oder dem Abschluss einer Lebensversicherung bezifferte Angaben zur Höhe möglicher Leistungen über die vertraglich garantierten Leistungen hinaus macht. Hintergrund für diese Bestimmung ist, dass dem Versicherungsnehmer regelmäßig vor Vertragsschluss unverbindliche unternehmensindividuelle Beispielrechnungen des Versicherers auf Grundlage der aktuellen Überschussbeteiligung ausgehändigt werden. Nach Auffassung des Gesetzgebers sind derartige unverbindliche unternehmensindividuelle Beispielrechnungen "im besonderen Maße missbrauchsanfällig". Entsprechend verpflichtet § 154 VVG den Versicherer, zusätzlich zu solchen unverbindlichen unternehmensindividuellen Beispielrechnungen eine normierte Modellrechnung zu übermitteln, die die in § 154 Abs. 1 S. 1 VVG vorgegebenen Voraussetzungen erfüllt. Die Pflicht zur Aushändigung einer normierten Modellrechnung besteht unabhängig davon, auf welche Art und Weise der Versicherer die unverbindliche unternehmensindividuelle Beispielrechnung erteilt oder ob bestimmte Beträge oder Zinssätze verwendet werden. Es reicht damit aus, dass die Angaben gegenüber dem Kunden mündlich oder im Internet erfolgen. Die Mitteilung der Modellrechnung muss zumindest in Textform erfolgen. Bei Riesterrenten und Basisrenten sind Sonderregelungen zu beachten (vgl. § 7 Abs. 2 S. 2 und S. 3 AltZertG).
Rz. 78
Inhaltlich muss die normierte Modellrechnung die mögliche Ablaufleistung unter Zugrundelegung der Rechnungsgrundlagen für die Prämienkalkulation mit drei verschiedenen Zinssätzen darstellen. Die Zinssätze sind in § 2 Abs. 3 VVG-InfoV wie folgt festgeschrieben:
(1) |
der Höchstrechnungszins, multipliziert mit 1,67, |
(2) |
der nach Nummer (1) berechnete Zinssatz zzgl. eines Prozentpunktes und |
(3) |
der nach Nummer (1) berechnete Zinssatz abzgl. eines Prozentpunktes. |
Rz. 79
Unklar ist, was unter Ablaufleistung i.S.d. § 154 Abs. 1 S. 1 VVG zu verstehen ist. Bei der kapitalbildenden Lebensversicherung dürfte insoweit die Erlebensfallleistung zum Ablauf gemeint sein, so dass zu ggf. ausgewiesenen Rückkaufswerten inkl. Überschussbeteiligung keine Übermittlung der Werte der normierten Modellrechnung notwendig ist.
Rz. 80
Soweit bei Rentenversicherungen das Deckungskapital inkl. Überschüssen zum Rentenbeginn ausgewiesen wird, ist der Begriff "Ablaufleistung" i.S.d. § 154 Abs. 1 S. 1 VVG nach der hier vertretenen Ansicht dahingehend auszulegen, dass auch zu diesem Deckungskapital inkl. Überschüssen eine normierte Modellrechnung auszuhändigen ist, auch wenn es sich streng genommen nicht um eine Leistung zum Ablauf handelt. Gleiches dürfte für eine durch den Versicherer ausgewiesene erste Rente inkl. Überschüssen gelten. Der Begriff "Ablaufleistung" muss nach der hier vertretenen Ansicht dementsprechend bei Rentenversicherungen als "Leistung zum Ablauf der Ansparphase" verstanden werden. Soweit bei einer Rentenversicherung über das Deckungskapital inkl. Überschüssen zum Rentenbeginn und über die erste Rente hinaus weitere laufende Renten dargestellt werden (sog. Rentenverläufe), erscheint es nach hier vertretener Auffassung folgerichtig, diese Rentenverläufe nicht als Ablaufleistung einzustufen, so dass demnach zu Rentenverläufen keine normierte Modellrechnung übermittelt werden müsste.
Rz. 81
Gemäß § 154 Abs. 1 S. 2 VVG gilt die Verpflichtung zur Übermittlung der normierten Modellrechnung nicht für Risikoversicherungen sowie für fondsgebundene Lebensversicherungen. Begründet werden diese Ausnahmen damit, dass Modellrechnungen nur bei Verträgen in Betracht kommen, bei denen die Überschussbeteiligung ein erhebliches wirtschaftliches Gewicht hat. Dies sei bei Risikoversicherungen sowie fondsgebundenen Lebensversicherungen regelmäßig nicht der Fall. Umgekehrt muss dann jedoch für Risikoversicherungen sowie fondsgebundene Lebensversicherungen nach hier vertretener Ansicht gelten, dass auch für diese die Pflicht zur Übermittlung der normierten Modellrechnung besteht, wenn die Überschussbeteiligung bei diesen Vertragsformen ein erhebliches wirtschaftliches Gewicht hat. Obwohl das Rundschreiben des Bundesaufsichtsamts für das Versicherungswesen (heute: Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, BaFin) R 2/2000 mit Hinweisen zur Darstellung der Leistungen einer fondsgebundenen Lebensversicherung mit Schreiben vom 29.11.2007 durch die BaFin aufgehoben wurde, erscheint es nach hier vertretener Ansicht sinnvoll, für die Darstellung der Wertentwicklungen von fondsgebundenen Lebensversicherungen weiterhin die Grundsätze des Rundschreibens R 2/2000 heranzuziehen.
Rz. 82
Ob die normierte Modellrechnung immer gleichzeitig mit der unternehmensindividuellen Beispielrechnung ausgehändigt werden muss oder ob es ebenfalls möglich ist, dem Kunden zunächst im ersten Beratungsgespräch eine unternehmensindividuelle Beispielrechnung un...