Rz. 50
Im Zusammenhang mit dem Zustandekommen des Versicherungsvertrages regelt das VVG in §§ 6–7d Beratungs- und Informationspflichten des Versicherers und in §§ 60–62 Beratungs- und Informationspflichten des Versicherungsvermittlers. Der Umfang dieser Beratungs- und Informationspflicht richtet sich unter anderem nach der Schwierigkeit, die angebotene Versicherung zu beurteilen. Für Lebensversicherungen dürfte insofern zu differenzieren sein: Eine einfache Risikoversicherung zur Absicherung des Todesfallrisikos dürfte regelmäßig in wenigen Sätzen zu erklären sein. Umfangreiche Beratungspflichten dürften hingegen insbesondere bei fondsgebundenen und hybriden Lebensversicherungen bestehen. Insofern bleibt zunächst festzuhalten, dass eine fondsgebundene Lebensversicherung nicht generell zur Altersvorsorge ungeeignet ist. Die Empfehlung einer fondsgebundenen Lebensversicherung zur Altersvorsorge stellt somit nicht per se eine Falschberatung dar. Entscheidend ist vielmehr, ob die fondsgebundene Rentenversicherung zur Erreichung des individuellen Anlageziels des konkreten Versicherungsnehmers geeignet ist. Vor der Empfehlung zum Abschluss einer Riesterrente muss der Versicherer abklären, ob der Kunde zulageberechtigt gem. § 10a Abs. 1 EStG ist. Im Übrigen gelten für Lebensversicherungen bezogen auf die Beratungs- und Informationspflichten nach §§ 6–7d VVG und §§ 60–62 VVG im Grundsatz keine Besonderheiten. Es wird insofern auf die allgemeinen Ausführungen in § 1 dieses Buches (siehe § 1 Rdn 49 ff., 257) verwiesen.
Rz. 51
Nach der Rechtsprechung des BGH kann eine fondsgebundene Lebensversicherung unter bestimmten Voraussetzungen als Anlageprodukt einzuordnen sein mit der Folge, dass für die fondsgebundene Lebensversicherung die gesteigerten Anforderungen zur anleger- und objektgerechten Beratung bei Anlageprodukten gelten. In dem den BGH-Urteilen vom 11.7.2012 zugrunde liegenden Sachverhalten hat der BGH dies bezogen auf die konkrete Rentenversicherung gegen Einmalbeitrag mit der Begründung bejaht, der Abschluss der Versicherung stelle sich bei wirtschaftlicher Betrachtung als Anlagegeschäft dar, da das Todesfallrisiko gegenüber der Renditeerwartung von untergeordneter Bedeutung sei. Dies zeige sich schon daran, dass die garantierte Todesfallleistung nur "101,00 % des Rücknahmewertes von Einheiten/Anteilen" betrage. Die von dem BGH vorgenommene Begründung für die Einordnung des streitgegenständlichen Versicherungsvertrags als Anlageprodukt vermag nicht zu überzeugen. Denn bei dem streitgegenständlichen Produkt dürfte es sich aufgrund der Übernahmen des Langlebigkeitsrisikos durch den Versicherer unzweifelhaft um eine Versicherung handeln. Eine solche Einordnung des streitgegenständlichen Produkts als Versicherung schließt dann nach geltendem Recht wiederum die Anwendbarkeit der Regelungen für Anlageprodukte aus. Soweit das OLG Nürnberg eine fondsgebundene Rentenversicherung als Kapitalanlageprodukt einstuft, weil für den Zeitpunkt des Rentenbeginns keine Leistung garantiert sei, kann dem nicht gefolgt werden. Eine fondsgebundene Rentenversicherung muss aus steuerlichen Gründen zwingend einen garantierten Rentenfaktor vorsehen, so dass der Versicherer – anders als vom OLG Nürnberg behauptet – zwingend in der Rentenphase das Risiko der Langlebigkeit der versicherten Person trägt.
Rz. 52
Soweit der BGH eine anleger- und objektgerechte Beratung fordert, setzt diese nach der sog. Bond-Entscheidung des BGH voraus, dass das zur Beratung verpflichtete Unternehmen das Anlageziel des Kunden, seine Risikobereitschaft und seinen Wissensstand über Anlagegeschäfte der vorgesehenen Art ermittelt. Auf dieser Basis hat das beratende Unternehmen den Kunden zu informieren, welches Anlageprodukt für den Kunden geeignet ist. Dabei muss der Kunde über allgemeine und produktspezifische Risiken der verschiedenen Anlageprodukte aufgeklärt werden. Darunter fallen insbesondere Kurs-, Zins- und Währungsrisiken sowie das Risiko der Bonität des Emittenten. Diese Grundsätze unmittelbar auf die Beratung zu Lebensversicherungsprodukten zu übertragen, erscheint auf erste Sicht widersinnig. Denn bei Lebensversicherungen steht neben der Anlage immer auch die Risikoabsicherung im Vordergrund. Auch vor diesem Hintergrund erscheinen die Beratungspflichten nach § 6 VVG bei Lebensversicherungsverträgen viel eher geeignet, den individuellen Kundenbedürfnissen Rechnung zu tragen, als die für Anlageprodukte entwickelten Grundsätze der Bond-Entscheidung des BGH.
Rz. 53
Gemäß § 6 Abs. 4 VVG besteht eine Beratungspflicht des Versicherers auch nach Vertragsschluss während der Dauer des Versicherungsverhältnisses, soweit für den Versicherer ein Anlass für eine Nachfrage und Beratung des Versicherungsnehmers erkennbar ist. Fragt der Versicherungsnehmer bei Vereinbarung eines Verwertungsausschlusses nach § 168 Abs. 3 S. 1 VVG, ob der Versicherungsvertrag "auch im Falle der Privatinsolvenz" geschützt ist, ist der Versicherer zu einer Beratung d...