Dr. iur. Maximilian von Proff zu Irnich
A. Keine Zusammenveranlagung und Ehegattensplitting
Rz. 1
Ehegatten, die unbeschränkt einkommensteuerpflichtig sind und nicht dauernd getrennt leben, eröffnet § 26 Abs. 1 S. 1 EStG das Verfahrenswahlrecht zwischen Zusammenveranlagung nach § 26b EStG und Einzelveranlagung nach § 26a EStG. Wird das Wahlrecht zugunsten der Zusammenveranlagung nach § 26b EStG ausgeübt, so folgt als Automatismus, dass das Splittingverfahren gemäß § 32a Abs. 5 EStG (sogenanntes Vollsplitting) Anwendung findet. Das Splittingverfahren behandelt die Eheleute so, als hätte jeder Ehegatte genau die Hälfte des zu versteuernden Einkommens bezogen, das beide Eheleute insgesamt im Veranlagungszeitraum erzielt haben, gewährt jedem Ehegatten den tariflichen Grundfreibetrag von 10.908 EUR und ordnet an, jeden Ehegatten mit dem so ermittelten zu versteuernden Einkommen dem Einkommensteuertarif zu unterziehen. Andere Steuerpflichtige werden dagegen gemäß § 25 Abs. 1 EStG nach ihrem Einkommen im Veranlagungszeitraum einzeln veranlagt; sie sind nach dem eindeutigen Wortlaut des § 26 Abs. 1 S. 1 EStG, der insoweit zwanglos einen Gegenschluss erlaubt, von der Zusammenveranlagung ausgeschlossen. Der III. Senat des BFH hat nichtehelichen Lebensgemeinschaften die Zusammenveranlagung und damit die Anwendung des Vollsplitting in einem Grundsatzurteil vom 27.10.1989 verweigert und dies in einem Beschl. v. 21.3.2012 sowie in einem Urt. v. 26.6.2014 und in einem Beschl. v. 26.4.2017 bestätigt. Das BVerfG hat die gegen das BFH-Urt. v. 26.6.2014 eingelegte Verfassungsbeschwerde mit Beschl. v. 19.8.2015 nicht zur Entscheidung angenommen. Die ganz überwiegende Literatur hat sich dem BFH angeschlossen.
B. Geltung der Rechtsprechung zu Angehörigenverträgen?
I. Rechtsprechungsgrundsätze zu Angehörigenverträgen
Rz. 2
Schließen Ehegatten untereinander oder Eltern mit ihren Kindern schuldrechtliche Verträge ab und erbringen sie einander Leistungen zur Vertragserfüllung, so fehlt nach weit verbreiteter Auffassung in einkommensteuerlichen Rechtsprechung und Schrifttum die "Richtigkeitsgewähr". Begründet wird dies damit, dass Abschluss und Durchführung von Angehörigenverträgen durch private Erwägungen veranlasst sein können. Es kann dann an dem für Verträge zwischen einander fremden Personen charakteristischen Interessengegensatz fehlen. Aus diesem Grund erkennen die Rechtsprechung und die Finanzverwaltung in langer Tradition Vereinbarungen zwischen Eheleuten oder nahen Angehörigen (Angehörigenverträge) für einkommensteuerliche Zwecke nur dann an, wenn die betreffenden Verträge klar und ernstlich gewollt sind, entsprechend dem Vereinbarten durchgeführt werden, und sowohl Vereinbarung als auch Durchführung angemessen sind. Die Rechtsprechung hat ihre früher sehr streng und formalistische gehandhabten Kriterien nach dem Oderkonto-Beschluss des BVerfG vom 7.11.1995 aufgeweicht. Am Erfordernis der zivilrechtlichen Wirksamkeit, insbesondere Formerfordernissen, häl...