Sabine Jungbauer, Dipl.-Ing. Werner Jungbauer
Rz. 64
Bis 31.12.2021 wurde in § 2 Abs. 2 ERVV noch gefordert, dass der Dateiname den Inhalt des elektronischen Dokuments schlagwortartig umschreiben soll, siehe hierzu auch § 12 Rdn 54 in diesem Werk. Diese Anforderung wurde zum 1.1.2022 gestrichen.
Rz. 65
Das OLG Dresden fordert bei beA-Versand, einen individualisierenden Dateinamen für fristgebundene Schriftsätze und die Postausgangskontrolle auch auf die Übermittlung des richtigen Dokuments zu erstrecken (Hervorhebung durch Verfasser):
Zitat
"1. Ein Berufungskläger, der sein Verlängerungsgesuch auf Erschwernisse infolge der Corona-Pandemie stützt, darf regelmäßig ohne Nachfrage bei dem Berufungsgericht davon ausgehen, dass seinem Antrag entsprochen wird."
2. Vor der Versendung eines fristgebundenen Schriftsatzes über das besondere elektronische Anwaltspostfach ist durch Organisationsanweisung sicherzustellen, dass der Schriftsatz mit einem die hinreichende Individualisierung ermöglichenden Dateinamen versehen und die Prüfung des Sendevorgangs auf den Ausschluss von Dateiverwechslungen erstreckt wird. Die bloße Kontrolle von Prüfprotokoll und Eingangsbestätigung auf technische Übermittlungsfehler reicht insofern nicht aus.“
Rz. 66
Auch andere Gerichte, u.a. der BGH, fordern, die Postausgangskontrolle zumindest anhand des Dateinamens vorzunehmen. Nach Ansicht des BGH reicht es bei der Prüfung nicht aus, festzustellen, "dass die Versendung irgendeines Schriftsatzes mit dem passenden Aktenzeichen an das Gericht erfolgt ist", es ist vielmehr anhand eines zuvor sinnvoll vergebenen Dateinamens auch zu prüfen, welcher Art der Schriftsatz war:
Zitat
"1. ….."
2. Für die Ausgangskontrolle des elektronischen Postfachs beA bei fristgebundenen Schriftsätzen genügt jedenfalls nicht die Feststellung, dass die Versendung irgendeines Schriftsatzes mit dem passenden Aktenzeichen an das Gericht erfolgt ist, sondern anhand des zuvor sinnvoll vergebenen Dateinamens ist auch zu prüfen, welcher Art der Schriftsatz war.“
Rz. 67
In dem hier vom BGH entschiedenen Fall kam es zu einer Dateiverwechslung, weil die Mitarbeiterin nicht angewiesen worden war (und auch nicht von selbst auf die Idee kam), dass der Streitwertfestsetzungsantrag nicht die Berufungsbegründung war, die hätte eingereicht werden sollen. Die Frage daher, ob es sich um das "richtige Dokument" handelt, ist also zweifach zu prüfen. Zum einen ist vor Signatur durch den Anwalt zu prüfen, ob es sich um das Dokument handelt, das er unterzeichnen und zur Absendung bringen bzw. bringen lassen wollte und zum anderen ist nach dem Versand zu prüfen, ob auch genau das Dokument eingegangen ist, zu dem die eingetragene Frist nun gestrichen werden soll.
Rz. 68
Problematisch kann es daher werden, wenn Dokumente keine "sprechenden Dateinamen" haben. Es kann sich zwar ergeben, dass im Hinblick auf ein nur noch sehr kurzes verbleibendes Zeitfenster bis zum Fristablauf lediglich verkürzte Namen oder bei gescannten Dokumenten lediglich die Dokumentennummer als Dateiname aufscheint. In diesem Fall ist aber nach unserer Auffassung zwingend das Dokument noch einmal zu öffnen, um sich zu vergewissern, dass keine Dateiverwechslung vorliegt und nicht versehentlich die falsche Frist gestrichen wird. So fordert dann auch das Finanzgericht Hamburg:
Zitat
"Werden fristwahrende Schriftsätze elektronisch über das besondere Anwaltspostfach übermittelt, so erfordert eine wirksame Kontrolle Maßnahmen, die hinreichend sicherstellen, dass die richtigen Dokumente dem richtigen (=zuständigen) Gericht übermittelt werden."
Hier war versehentlich statt der fristgebundenen Klage ein Scheidungsantrag an das Finanzgericht übermittelt worden. Nicht nur im Hinblick auf Datenschutz und Verschwiegenheitspflicht ein berufsrechtlich wie ggf. auch strafrechtlich relevantes Problem, sondern wegen Versäumung der Klagefrist auch ein Haftungsfall.
Rz. 69
Die Postausgangskontrolle (Ausschluss von Dateiverwechslungen) kann und sollte bei werthaltigen Verfahren u.E. aber auch dadurch erfolgen, dass ein Dokument nochmals geöffnet wird, um sich hier entsprechend zu vergewissern, ob die richtige Datei übermittelt wird/wurde.