Dr. iur. Wolfram Viefhues
Rz. 213
Die Darlegungs- und Beweislast für diejenigen Tatsachen, die Grundlage für eine Beschränkung nach § 1578b BGB werden sollen, trägt grundsätzlich der Unterhaltsverpflichtete, jedoch kann die Unterhaltsberechtigte sich nicht darauf verlassen, keinerlei Darlegungen machen zu müssen, denn sie ist im Rahmen der sie treffenden sekundären Darlegungslast ebenfalls gehalten, zur Sache vorzutragen.
Rz. 214
Dabei geht der BGH von folgender Systematik des Wechselspiels der Darlegungs- und Beweislast bei § 1578b BGB aus, das auf den allgemeinen Grundsätzen zum Beweis negativer Tatsachen beruht.
Rz. 215
Im ersten Schritt trifft den Unterhaltspflichtigen die Darlegungs- und Beweislast, denn diese Vorschrift ist als Ausnahmetatbestand von einer unbefristeten Unterhaltspflicht konzipiert. Der Unterhaltspflichtige muss also das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen und der Billigkeitsgesichtspunkte darlegen, ebenso die Kriterien für die Länge der Übergangsfrist oder den fehlenden Zusammenhang von Erwerbslosigkeit und Gestaltung der ehelichen Lebensverhältnisse. Dabei müssen die Umstände, die zu einer Befristung führen, soweit feststehen, dass eine sichere Prognose möglich ist.
Rz. 216
Hat der Unterhaltspflichtige durch substantiierten Tatsachenvortrag dargelegt, dass keine ehebedingten Nachteile vorhanden sind oder früher vorhandene ehebedingten Nachteile weggefallen sind, muss nunmehr die Unterhaltsberechtigte ihrerseits dartun, dass trotzdem eine Begrenzung ausscheidet oder zumindest eine längere Schonfrist zuzubilligen ist (sog. sekundäre Darlegungslast). Zwar dürfen die an die sekundäre Darlegungslast des Unterhaltsberechtigten zu stellenden Anforderungen nicht überspannt werden. Mindestens muss der Unterhaltsberechtigte aber den zugehörigen hypothetischen Lebenslauf und seiner konkreten Auswirkungen darlegen.
Jedoch trifft die Berechtigte nicht die entsprechende Beweislast!
Rz. 217
Jetzt muss wiederum der Unterhaltspflichtige diesen Nachteil widerlegen. Konkret bedeutet dies, dass er substantiiert Tatsachen für die Schlussfolgerung vortragen muss, die Unterhaltsberechtigte könne – bei Wiedereinstieg in ihrem alten Beruf oder durch eine anderweitige Berufstätigkeit – ein höheres Einkommen erlangen. Dazu reichen lediglich pauschal erhobene Behauptungen nicht aus. Das Familiengericht muss sich in seiner Entscheidung nicht mit allen möglichen Mutmaßungen befassen, wenn sie nicht ausnahmsweise an objektivierbaren Tatsachen festgemacht werden können, die starke Indizwirkung für ein behauptetes tatsächliches Geschehen zeigen.
Rz. 218
Praxistipp:
Die Vorschrift führt zu erhöhten Anforderungen an den anwaltlichen Sachvortrag.
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Der BGH hat deutlich betont, dass es den Gerichten in den Fällen eines mangelnden Sachvortrags verwehrt ist, ohne konkrete und nachprüfbare Anhaltspunkte das Vorliegen eines ehebedingten Nachteils anzunehmen. |
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Grundsätzlich trägt der Unterhaltspflichtige die Darlegungs- und Beweislast. Diese kann jedoch sehr schnell auf den Unterhaltsberechtigten "kippen". |
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Daher sollten beide Ehegatten im gerichtlichen Verfahren ausreichend Sachvortrag bringen. Der Berechtigte sollte zumindest die notwendigen Informationen sammeln, um nicht später im Prozess überrascht zu werden. |
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Zwar ist es in der Praxis hilfreich, wenn die Akten des Scheidungsverfahrens beigezogen worden sind. Daraus können sich im Rahmen des Versorgungsausgleichs (Versicherungsverlauf) wesentliche Erkenntnisse über die berufliche Entwicklung auch des Unterhaltsberechtigten entnehmen lassen. |
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Auch die Akten eines evtl. gerichtlichen Verfahrens über Trennungsunterhalt können hier wertvolle Anhaltspunkte liefern. |
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Allerdings muss sich der Anwalt des Unterhaltspflichtigen ausdrücklich auf diese Umstände beziehen, denn es erfolgt keine automatische Verwertung von Erkenntnissen aus einem Parallelverfahren. |
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Verlassen darf sich der Anwalt auch nicht darauf, dass der Richter von Amts wegen sein Wissen aus Parallelprozessen in das konkrete Verfahren einführt. Denn bei Streitigkeiten um Unterhalt und Zugewinn handelt es sich um ZPO-Verfahren, bei denen die Parteimaxime und der Beibringungsgrundsatz gelten. Danach ist es den Parteien überlassen, die Tatsachen zu beschaffen und auf korrekte Weise durch schriftlichen Vortrag (§ 129 ZPO) oder Vortrag in der mündlichen Verhandlung (§ 137 Abs. 2 ZPO) in das Verfahren einzubringen. |
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Hat der jetzige Verfahrensbevollmächtige das Scheidungsverfahren nicht selbst bearbeitet, ist es ratsam, Einsicht in die Scheidungsakten zu nehmen. Das nach Abschluss des Verfahrens gestellte Akteneinsichtsgesuch auch eines Verfahrensbeteiligten unterfällt § 299 Abs. 1 ZPO. Es entscheidet der Vorstand des Gerichts. Gegen dessen Entscheidung – ein Justizverwaltungsakt – ist der Antrag auf gerichtliche Entscheidung statthaft (§ 23 Abs. 1 EGGVG). |
Rz. 219
Auch das aktuelle (erzielbare) Einkommen muss die Unterhaltsberechtigte darlegen und ggf. beweisen.