Rz. 11

Auch beim Nachscheidungsunterhalt sind die allgemeinen Grundsätze von Bedarf und Bedürftigkeit der Berechtigten und Leistungsfähigkeit des Verpflichteten zu beachten (siehe § 3 Rdn 12).

Für den Bedarf nach den ehelichen Lebensverhältnissen kommt es auf alle eheprägenden Einkünfte und Belastungen der Ehegatten an, die also den Lebensverhältnissen der Ehegatten "ihren Stempel aufgedrückt" haben. Dabei ist grundsätzlich auf die im Zeitpunkt der Scheidung maßgebenden Lebensverhältnisse abzustellen.[7]

 

Rz. 12

 

Praxistipp:

Die ehelichen Lebensverhältnisse enden also regelmäßig erst mit Rechtskraft der Scheidung.
Verzögerungen beim Eintritt der Rechtskraft (Verbundverfahren, siehe § 11 Rdn 67) können daher noch Auswirkungen auf den Maßstab der ehelichen Lebensverhältnisse haben.
 

Rz. 13

Auf die ehelichen Lebensverhältnisse ist aber nicht abzustellen, wenn es nach der Trennung zu einer unerwarteten, außerhalb des Normalverlaufs liegenden Einkommenserhöhung kommt, die nicht in der Ehe angelegt war.[8]

OLG Brandenburg v. 3.6.2019 – 9 UF 49/19[9]

Zitat

Einkommensverbesserungen werden auch dann bedarfssteigernd erfasst, wenn die neuen Umstände auf Veränderungen nach der Trennung beruhen, die auf einer unerwarteten und vom Normalfall erheblich abweichenden Entwicklung beruhen. So ist bei einem so genannten Karrieresprung das erhöhte Einkommen nicht mehr eheprägend.
Auch beim Trennungsunterhalt ist eine Einkommensentwicklung nur beachtlich, wenn diese aus der Sicht zum Zeitpunkt der Trennung mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten war und diese Erwartung bereits auch die ehelichen Lebensverhältnisse bis zur Trennung geprägt hatte.
Ein für die Bestimmung des Trennungsunterhaltes nach § 1361 Abs. 1 BGB außer Betracht bleibender Karrieresprung ist anzunehmen, wenn nach der Trennung bis zur Rechtskraft der Ehescheidung das Einkommen eines oder beider Ehegatten eine unerwartete, vom Normalverlauf erheblich abweichende Entwicklung genommen hat.

OLG Karlsruhe, Beschl. v. 15.5.2019 – 18 UF 68/18[10]

Zitat

Die für den Trennungsunterhalt maßgeblichen Lebensverhältnisse sind nach den zu § 1578 Abs. 1 BGB entwickelten Maßstäben zu beurteilen, wobei auf die jeweiligen wirtschaftlichen Verhältnisse abzustellen ist, an deren Entwicklung die Ehegatten grundsätzlich bis zur Rechtskraft der Scheidung gemeinschaftlich teilhaben.
Veränderungen der Einkommensverhältnisse, die nach der Trennung der Ehegatten bis zur Scheidung eintreten, können die für die Unterhaltsbemessung maßgeblichen ehelichen Lebensverhältnisse beeinflussen.
Sie sind jedoch dann außer Betracht zu lassen, wenn sie auf einer nach der Trennung eingetretenen, unerwarteten und vom Normalverlauf erheblich abweichenden Entwicklung ("Karrieresprung") beruhen.
 

Rz. 14

 

Praxistipp:

Dies gilt dann, wenn es nach der Trennung zu einer unerwarteten, außerhalb des Normalverlaufs liegenden Einkommenserhöhung kommt, die nicht in der Ehe angelegt war (sog. Karrieresprung, siehe § 3 Rdn 27, 33, 42 und 42).[11]
Der Pflichtige ist dafür, dass sein Einkommen seit der Trennung sich außergewöhnlich und vom Normalverlauf abweichend entwickelt hat, darlegungs- und beweisbelastet.[12]
Wenn eine vom Normalverlauf abweichende Entwicklung vorliegt, ist ein im Zeitpunkt der Trennung oder Scheidung erzieltes Einkommen nur in dieser Höhe prägend. Es ist lediglich ab dem nicht in der Ehe angelegten Anstieg entsprechend der allgemeinen Lohnentwicklung fortzuschreiben, notfalls nach den Indexdaten der statistischen Jahrbücher.
[8] Grandel in Schnitzler, Münchner Anwaltshandbuch, 2020, § 8 Rn 93; Siebert in Wendl/Dose, § 4 Rn 477 und 569; Schürmann in Eschenbruch; Schürmann; Menne, Der Unterhaltsprozess, 7. Aufl. 2021, Kap. 1 Rn 57 und Rn 383; kritisch dazu Schürmann in Eschenbruch; Schürmann; Menne, Der Unterhaltsprozess, 7. Aufl. 2021, Kap. 1 Rn 997: "Diese Rechtsprechung mag zwar dem Empfinden der Beteiligten entsprechen, sie kontrastiert aber zu dem sonst geltenden Stichtagsprinzip und wirkt damit wenig konsequent."
[12] Bömelburg, FF 2020, 89, 100, Grandel in Schnitzler, Münchner Anwaltshandbuch, 2020, § 8 Rn 93.

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