Leitsatz
Getrennt lebende Eheleute stritten um die Höhe des an die Ehefrau zu zahlenden Trennungsunterhalts. Kernproblem der Entscheidung war die Frage, ob und inwieweit sich der berufliche Aufstieg des Ehemannes während der Trennungszeit vom Oberarzt zum Chefarzt eines Krankenhauses und die hieraus erzielten Einkünfte auf die Höhe des Unterhaltsanspruchs auswirken.
Sachverhalt
Die Parteien stritten um die Abänderung des durch Urteil des OLG vom 14.4.2004 titulierten Trennungsunterhalts für die Zeit ab Juli 2004.
Sie hatten im April 1990 geheiratet. Aus ihrer Ehe waren zwei in den Jahren 1991 und 1995 geborene Kinder hervorgegangen, die beide bei der Klägerin lebten. Die Parteien hatten sich Mitte 1999 getrennt. Ende 1999 war die Klägerin aus dem im Miteigentum der Parteien stehenden und seitdem von dem Beklagten bewohnten Haus ausgezogen.
Mit Urteil vom 14.4.2004 war der Beklagte zur Zahlung von Trennungsunterhalt ab Januar 2004 von 845,00 EUR verurteilt worden. Dabei waren seine Erwerbseinkünfte aus seiner Tätigkeit aus Oberarzt, sowie Einkünfte aus Privatliquidationen des damaligen Chefarztes und durch Notarzteinsätze zugrunde gelegt worden. Berücksichtigt wurden ferner negative Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung.
Mit notariellem Schuldanerkenntnis vom 15.6.2005 hat der Beklagte weiteren monatlichen Trennungsunterhalt von 257,51 EUR von März bis Juni 2005 sowie von 246,37 EUR ab Juli 2005 - längstens bis zur Vollendung des 12. Lebensjahres des Sohnes - anerkannt.
Der Beklagte wurde im Juli 2004 zum Chefarzt berufen und erzielte erhebliche Einkünfte aus Privatliquidationen.
Die Klägerin begehrte im Hinblick auf die durch die Chefarzttätigkeit des Beklagten bedingte Einkommenserhöhung die Abänderung des Urteils des OLG vom 14.4.2004. Der Beklagte trat dem mit der Argumentation entgegen, es habe sich um eine unerwartete und vom Normalverlauf abweichende Entwicklung gehandelt, die die Lebensverhältnisse der Parteien nicht geprägt habe.
Das AG hat die Klage der Ehefrau abgewiesen. Hiergegen richtete sich ihre Berufung, mit der sie ihre erstinstanzlichen Anträge weiterverfolgte.
Ihr Rechtsmittel erwies sich nur in geringem Umfang als begründet.
Entscheidung
Das OLG kam zu dem Ergebnis, der Berechnung der Unterhaltsansprüche der Klägerin seien die fortgeschriebenen Einkünfte des Beklagten aus seiner bis Juni 2004 ausgeübten Tätigkeit als Oberarzt zugrunde zu legen. Sein deutlich höheres Einkommen als Chefarzt und ärztlicher Direktor habe die Lebensverhältnisse der Parteien nicht geprägt.
Der Anspruch auf Trennungsunterhalt bemesse sich gemäß § 1361 Abs. 1 S. 1 BGB nach den Lebensverhältnissen und den Erwerbs- und Vermögensverhältnissen der Eheleute. Diese Lebensverhältnisse seien nach den zu § 1578 Abs. 1 BGB entwickelten Maßstäben zu beurteilen, wobei für den Trennungsunterhalt auf die jeweiligen wirtschaftlichen Verhältnisse abzustellen sei, an deren Entwicklung die Ehegatten grundsätzlich bis zur Rechtskraft der Scheidung gemeinschaftlich teilhätten (vgl. BGH FamRZ 2003, 848, 849; 1999, 367, 368; 1994, 87, 88 f.; 1982, 576 ff.; Pauling in: Wendl/Staudigl, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 6. Aufl., Rz. 30, 36), so dass Veränderungen der Einkommensverhältnisse, die nach der Trennung der Ehegatten bis zur Scheidung einträten, die für die Unterhaltsbemessung maßgeblichen ehelichen Lebensverhältnisse beeinflussen könnten. Sie seien jedoch dann außer Betracht zu lassen, wenn sie auf einer unerwarteten und vom Normalverlauf erheblich abweichenden Entwicklung beruhten (vgl. BGH FamRZ 1992, 1045 [1046]; 1999, 367, 368).
Einkommen, das die ehelichen Lebensverhältnisse zu keinem Zeitpunkt geprägt habe, sei für die Bestimmung der ehelichen Lebensverhältnisse unberücksichtigt zu lassen (vgl. BGH FamRZ 1991, 307, 308).
Ob eine eheprägende Einkommensentwicklung gegeben sei, könne für den Trennungsunterhalt nur nach den zum Zeitpunkt der Trennung der Parteien maßgeblichen Verhältnissen und - entgegen den von der Klägerin mit ihrer Berufung vertretenen Auffassung - nicht nach den Umständen bei der vorliegend noch nicht eingetretenen Rechtskraft der Scheidung beurteilt werden.
Die Berufung des Beklagten zum Chefarzt rund 5 Jahre nach der Trennung der Parteien stelle eine unerwartete und vom Normalverlauf erheblich abweichende Entwicklung dar. Zum Zeitpunkt der Trennung hätten die Parteien nicht mit hoher Wahrscheinlichkeit mit der späteren Tätigkeit des Beklagten als Chefarzt rechnen und ihren Lebenszuschnitt hierauf einrichten können. Die Besonderheiten der Berufung des Beklagten zum Chefarzt stellen keine mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwartende Entwicklung und gemeinsame Lebensleistung der Parteien dar. Weder zum Zeitpunkt der Trennung der Parteien noch in den darauf folgenden Jahren bis etwa 2002 sei mit hoher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen gewesen, dass der Beklagte Nachfolger des Chefarztes werden würde.
Auch aufgrund der tatsächlichen Einkommensentwicklung sei von einem Karrieresprung auszugehen,...