Entscheidungsstichwort (Thema)
Vom Normalverlauf erheblich abweichende berufliche Entwicklung nach der Trennung (sog. Karrieresprung)
Leitsatz (amtlich)
Die Berufung eines Oberarztes zum Chefarzt eines Krankenhauses während der Trennungszeit, jedoch etwa 5 Jahre nach der Trennung der Eheleute kann eine unterhaltsrechtlich unerwartete, vom Normalverlauf erheblich abweichende Entwicklung darstellen, so dass aus der Chefarzttätigkeit erzielte Einkünfte die ehelichen Lebensverhältnisse nicht prägen (sog. Karrieresprung).
Normenkette
BGB § 1361 Abs. 1, §§ 1570, 1573, 1578
Verfahrensgang
AG Gifhorn (Urteil vom 29.01.2007; Aktenzeichen 16 F 821/05) |
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin und unter Zurückweisung ihres weitergehenden Rechtsmittels wird das am 29.1.2007 verkündete Urteil des AG - FamG - Gifhorn geändert und wie folgt gefasst:
Der Beklagte wird in Abänderung des Senatsurteils vom 14.4.2004 - 15 UF 197/03 OLG Celle = 16 F 195/03 AG Gifhorn - sowie des notariellen Schuldanerkenntnisses vom 15.6.2005 - Urkundenrolle Nr. ... des Notars D.F., K. - verurteilt, der Klägerin monatlichen Trennungsunterhalt von Juli bis Dezember 2004 von 1.119 EUR,
für Januar und Februar 2005 von 944 EUR,
für Juni 2005 von 1.134 EUR sowie
von Juli bis Dezember 2005 von 1.123 EUR
nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 1.7.2005 auf einen Betrag von 1.873,49 EUR zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen tragen die Klägerin 9/10 und der Beklagte 1/10.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I. Die Parteien streiten um die Abänderung des durch Senatsurteil vom 14.4.2004 titulierten Trennungsunterhalts für die Zeit ab Juli 2004.
Aus der am 30.4.1990 geschlossenen Ehe der Parteien sind die Kinder K.M., geboren am 17.8.1991, und M.G.L., geboren am 11.5.1995, die beide bei der Klägerin leben, hervorgegangen. Die Parteien leben seit Mitte 1999 getrennt. Ende 1999 ist die Klägerin aus dem im Miteigentum der Parteien stehenden und seitdem vom Beklagten bewohnten Haus ausgezogen.
Im Urteil vom 14.4.2004 - 15 UF 197/03 = 16 F 195/03 AG Gifhorn - hat der Senat den Beklagten zur Zahlung von Trennungsunterhalt ab Januar 2004 von 845 EUR verurteilt. Dabei hat der Senat das bis Juni 2004 erzielte Erwerbseinkommen des Beklagten aus seiner Tätigkeit als Oberarzt am D.K. in D., Einkünfte aus Privatliquidationen des damaligen Chefarztes Dr. F. sowie durch Notarzteinsätze, (negative) Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung der im Miteigentum der Parteien stehenden Eigentumswohnung in Krefeld und den Vorteil mietfreien Wohnens zugrunde gelegt.
Mit notariellem Schuldanerkenntnis vom 15.6.2005 (Urkunderolle Nr. des Notars Dr. F., K. ) hat der Beklagte weiteren monatlichen Trennungsunterhalt von 257,51 EUR von März bis Juni 2005 sowie von 246,37 EUR ab Juli 2005 - längstens bis zur Vollendung des 12. Lebensjahres des Sohnes M. - anerkannt.
Im Teilanerkenntnisurteil des AG Gifhorn vom 16.2.2005 - 16 F 1197/03 - wurde der Beklagte zur Zahlung von Kindesunterhalt für beide Kinder ab März 2005 von 200 % des Regelbetrages sowie im Schlussurteil vom 9.3.2005 - für den hier streitigen Zeitraum - von 180 % des Regelbetrages verurteilt.
Der Beklagte, der seit August 1991 als Oberarzt im Dominikus Krankenhaus tätig war, wurde im Juli 2004 zum Chefarzt der Abteilung für A. und I. berufen und erzielt erhebliche Einkünfte aus Privatliquidationen.
Die Klägerin begehrt im Hinblick auf die durch die Chefarzttätigkeit des Beklagten bedingte Einkommenserhöhung die Abänderung des Senatsurteils vom 14.4.2004. Dem ist der Beklagte entgegen getreten, weil es sich insoweit um eine unerwartete, vom Normalverlauf abweichende Entwicklung handele, die die Lebensverhältnisse der Parteien nicht präge.
Das AG hat nach Beweisaufnahme über die Bewerbungen des Beklagten auf Chefarztstellen in den Jahren 1993 und 1994 sowie über die Berufung des Beklagten zum Chefarzt die Klage abgewiesen.
Hiergegen richtet sich die Berufung, mit der die Klägerin ihre erstinstanzlichen Anträge weiter verfolgt und diese zugleich auf einen Anspruch auf Altersvorsorgeunterhalt stützt.
Hinsichtlich der tatsächlichen Feststellungen wird im Übrigen gem. § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.
II. Die Berufung ist nur in geringem Umfang begründet.
Der Klägerin kann gem. § 323 Abs. 1 ZPO die Abänderung des Senatsurteils vom 14.4.2004 verlangen, weil sich die diesem Urteil zugrunde gelegten wirtschaftlichen Verhältnisse der Parteien nachträglich wesentlich geändert haben. Der Klägerin steht für die Zeit ab Juli 2004 ein Anspruch auf Trennungsunterhalt gem. § 1361 Abs. 1 Satz 1 BGB zu.
1. Einkommen des Beklagten
Die Einkünfte des Beklagten ergeben sich aus seinem Einkommen aus nicht selbständiger Tätigkeit, aus selbständiger Tätigkeit sowie aus Vermietung und Verpachtung. Insoweit ist von folgender Beurteilung und Berechnung auszugehen.
a) Eheprägende Einkünfte
Der Berechnung des Unterhaltsanspruchs der Klägerin sind die fortgeschriebene...