Rz. 173
Der Geschädigte kann bei einem Unfallereignis die ihm entstandenen außergerichtlichen Rechtsverfolgungskosten je nach den Umständen als adäquate Schadensfolge nach § 249 BGB ersetzt verlangen. Allerdings ist zu differenzieren: Für die Frage nach der Erstattungsfähigkeit von außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten ist zwischen dem Innenverhältnis des Geschädigten zu dem für ihn tätigen Rechtsanwalt und dem Außenverhältnis des Geschädigten zum Schädiger zu unterscheiden. Voraussetzung für einen Erstattungsanspruch gegenüber dem Gegner ist grundsätzlich, dass der Geschädigte im Innenverhältnis zur Zahlung der in Rechnung gestellten Kosten verpflichtet ist und die konkrete anwaltliche Tätigkeit im Außenverhältnis aus der maßgeblichen Sicht des Geschädigten mit Rücksicht auf seine spezielle Situation zur Wahrnehmung seiner Rechte erforderlich und zweckmäßig war. Anwaltskosten sind nicht zu ersetzen, wenn der Geschädigte selbst Rechtsanwalt ist, er sich selbst vertritt und es sich um einen einfach gelagerten Fall mit von vornherein feststehender Haftung handelt.
Rz. 174
Wenn in einem einfach gelagerten Schadensfall die Haftung nach Grund und Höhe derart klar ist, dass aus der Sicht des Geschädigten kein Anlass zu Zweifeln an der Ersatzpflicht des Schädigers besteht, ist für die erstmalige Geltendmachung des Anspruchs gegenüber dem Schädiger bzw. dem Haftpflichtversicherer die Einschaltung eines Rechtsanwalts nur dann erforderlich, wenn der Geschädigte selbst hierzu aus besonderen Gründen wie etwa Mangel an geschäftlicher Gewandtheit nicht in der Lage ist. Die Inanspruchnahme eines Rechtsanwalts ist allgemein gesagt nicht zur Wahrnehmung der Rechte erforderlich und zweckmäßig, wenn es sich um einen einfach gelagerten Fall handelt, in dem der Betroffene etwa die ihm entstandenen Schäden ohne Schwierigkeiten selbst gegenüber dem beklagten Haftpflichtversicherer oder seinem eigenen Kaskoversicherer geltend machen kann. Dies gilt auch dann, wenn sich bei der Regulierung eines Verkehrsunfallschadens der Haftpflichtversicherer des Schädigers mit der Ersatzleistung bereits in Verzug (§§ 280 Abs. 1, Abs. 2, 286 BGB) befindet. Wenn bei einem Verkehrsunfall zwei Fahrzeuge zusammenstoßen, können sich zahlreiche Rechtsfragen stellen, sodass der Geschädigte, der Laie ist, zu den Regulierungsverhandlungen mit dem Haftpflichtversicherer des Unfallgegners in der Regel von Anfang an einen Rechtsanwalt zuziehen und dessen Kosten ersetzt verlangen darf. Der Geschädigte muss mit der Beauftragung eines Rechtsanwalts in der Regel nicht erst einmal abwarten, wie der Haftpflichtversicherer auf die Schadensanzeige reagiert. Auch einem Unternehmen kann es nicht verwehrt werden, einen Rechtsanwalt zu beauftragen, sofern nicht völlig klar ist, dass und inwieweit der Versicherer den Schaden regulieren wird. Entsprechendes gilt auch für einen Rechtsanwalt, der bei einem Unfall Schaden erlitten hat.
Rz. 175
Die in dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 13.12.2011 zur Entscheidung gestellte Frage, ob dann, wenn der Rechtsanwalt des Geschädigten bei dessen Rechtsschutzversicherer eine Deckungszusage einholt, im Innenverhältnis Anwaltskosten entstehen und ob diese vom Schädiger bzw. seinem Haftpflichtversicherer im Außenverhältnis zu ersetzen sind, hat der BGH nicht grundsätzlich entschieden. Dazu werden in Rechtsprechung und Literatur unterschiedliche Auffassungen vertreten. Teilweise wird auf das Innenverhältnis zwischen dem geschädigten Mandanten und seinem Rechtsanwalt abgestellt, wobei vertreten wird, dass es sich um eine besondere Angelegenheit im Sinne des § 15 Abs. 2 S. 1 RVG handele, wie auch, dass es sich um "dieselbe" Angelegenheit im Sinne des § 15 Abs. 2 S. 1 RVG handele. Der Bundesgerichtshof hat angedeutet, dass er zu der Annahme neige, das Vorliegen einer eigenen Angelegenheit sei zu verneinen, wenn sich die Tätigkeit des Rechtsanwalts in der Anforderung der Deckungszusage bei dem Rechtsschutzversicherer unter Beifügung eines Entwurfs der Klageschrift erschöpft und der Deckungsschutz umstandslos bewilligt wird. Der Bundesgerichtshof hat auch ausgeführt, erwägenswert sei auch die Ansicht, nach der der Anwalt den Mandanten darüber zu belehren hat, dass für die Einholung der Deckungszusage eine besondere Gebühr entsteht, wenn er diese Leistung abrechnen will.
Rz. 176
Der Ersatzanspruch gegenüber dem Haftpflichtigen wird von denen, die einen Gebührenanspruch des Rechtsanwalts bejahen, teilweise bejaht, teilweise verneint, letzteres zum Teil aus grundsätzlichen Erwägungen, weil Rechtsanwaltskosten für die Einholung einer Deckungszusage nicht vom Schutzzweck der Haftungsnormen erfasst seien. Diese Ansicht ist durchaus diskutabel, greift aber dann nicht, wenn sich der Geschädigte bzw. sein Haftpflichtversicherer bereits in Verzug befinden; dann kommt es doch darauf an, ob die Rechtsverfolgungskosten aus der Sicht des Geschädigten zur Wahrnehmung seiner Rechte er...