Rz. 145
Daraus, dass ein angemietetes Ersatzfahrzeug nur für geringe Fahrleistungen benötigt wird, kann sich die Unwirtschaftlichkeit der Anmietung ergeben. Doch kann im Einzelfall die Erforderlichkeit der Anmietung auch deshalb zu bejahen sein, weil der Geschädigte auf die ständige Verfügbarkeit eines Kraftfahrzeugs angewiesen ist, ohne dass es auf die gefahrene Kilometerleistung ankommt. So kann etwa ein 70-jähriger im ländlichen Bereich wohnhafter Geschädigter, der in der Vergangenheit bereits einen Schlaganfall erlitten hatte und dessen Ehefrau sich von einer Krebserkrankung erholte, ein schutzwürdiges Interesse daran haben, einen Mietwagen für etwaige Arztbesuche vorzuhalten. Im Grundsatz ist allerdings davon auszugehen, dass eine geringe Fahrleistung mit dem Mietfahrzeug zumindest dann, wenn vor der Anmietung absehbar war, dass nur geringe Strecken zurückgelegt werden, der Erstattungsfähigkeit der Mietwagenkosten entgegenstehen kann. Wenn die Anmietung eines Mietwagens nicht erforderlich ist, steht dem Geschädigten allerdings stattdessen eine Nutzungsausfallentschädigung zu.
Rz. 146
Grundsätzlich müssen Feststellungen zur Erforderlichkeit des Unfallersatztarifs getroffen werden, wenn der Geschädigte Umstände vorträgt, die einen gegenüber dem "Normaltarif" höheren Unfallersatztarif rechtfertigen sollen. So kann der Geschädigte z.B. vortragen, er sei nicht in der Lage gewesen, einen Mietpreis vorzufinanzieren, oder eine Anmietung zum "Normaltarif" hätte neben der nicht möglichen Angabe der voraussichtlichen Mietdauer die Leistung einer Sicherheit und Vorauszahlung des Mietpreises mittels einer Kreditkarte erfordert, welche der Geschädigte nicht besessen habe. Die Erkundigung nach günstigeren Tarifen, zu der der Geschädigte zur Geringhaltung des Schadens grundsätzlich verpflichtet ist, kann in Eil- und Notsituationen nur ganz eingeschränkt verlangt werden. Erfolgt die Anmietung des Ersatzfahrzeugs in engem zeitlichen Zusammenhang zu dem Verkehrsunfall, indiziert dies eine Not- oder Eilsituation, in der die Anmietung zu einem Unfallersatztarif erforderlich sein kann. Liegt eine solche Situation nicht vor, wird der Geschädigte hingegen in der Regel in der Lage sein, sich nach einem "Normaltarif" zu erkundigen, insbesondere wenn zwischen dem Unfall und der Anmietung ein erheblicher Zeitraum liegt.
Rz. 147
Die Annahme einer "Eil- und Notsituation" sollte allerdings im jeweiligen Einzelfall nach einem großzügigen Maßstab erfolgen. Ein normal beschäftigter Geschädigter hat in der Regel besseres zu tun, als im Interesse des Schädigers auch nur mäßig aufwändige Erkundigungen über günstige Mietwagentarife einzuholen, zumal es kein einheitliches Tarifgefüge gibt und sich die Vor- und Nachteile der vorhandenen Tarife einem damit nicht Vertrauten kaum auf Anhieb erschließen dürften. Zudem wird dem Geschädigten die Inanspruchnahme bestimmter Unternehmen häufig durch die Werkstatt, das Abschleppunternehmen unter anderem nahegelegt. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, wonach nur eine Eil- oder Notsituation von einer näheren Erkundigung entbinde und zudem eine solche Situation bei Anmietung einen Tag nach dem Unfall aber grundsätzlich nicht angenommen werden könne, evtl. eine besondere Eilbedürftigkeit sogar bei einer Anmietung noch am Unfalltag fehlen könne, erscheint danach als zu eng. Falls die Rechtsprechung des BGH, wie hier vorgeschlagen, zukünftig Einwendungen gegen die Höhe der Mietwagenkosten umfassend nur noch unter dem Gesichtspunkt einer Verletzung der Schadensminderungspflicht (§ 254 BGB) durch den Geschädigten beurteilen sollte (vgl. oben Rdn 138), würde sich dieses Problem weitgehend erledigen.
Rz. 148
Die Frage, ob ein Unfallersatztarif aufgrund unfallspezifischer Kostenfaktoren erforderlich im Sinne des § 249 Abs. 2 S. 1 BGB ist, kann nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nur ausnahmsweise offenbleiben, wenn feststeht, dass dem Geschädigten ein günstigerer Tarif in der konkreten Situation "ohne Weiteres" zugänglich war, sodass ihm eine kostengünstigere Anmietung unter dem Blickwinkel der ihm gem. § 254 BGB obliegenden Schadensminderungspflicht zugemutet werden konnte. Die Frage, ob die geltend gemachten höheren Mietwagenkosten aufgrund unfallspezifischer Kostenfaktoren erforderlich sind, kann auch offenbleiben, wenn feststeht, dass dem Geschädigten die Anmietung zum "Normaltarif" nach den konkreten Umständen nicht zugänglich gewesen ist. Denn der Geschädigte kann in einem solchen Fall einen den "Normaltarif" übersteigenden Betrag im Hinblick auf die subjektbezogene Schadensbetrachtung auch dann als im Sinne des § 249 Abs. 2 S. 1 BGB erforderlichen Geldbetrag ersetzt verlangen, wenn die Erhöhung nicht durch unfallspezifische Kostenfaktoren gerechtfertigt wäre.
Rz. 149
Wie oben bereits aufgezeigt, können aber die Gerichte wegen der (möglichen) spezifischen Leistungen der Mietwagenunternehmen bei der Vermietung an Unfallgeschädigte, wi...