Rz. 87
Restwert ist der Betrag, der für das beschädigte Fahrzeug auf dem regional zugänglichen allgemeinen oder auf dem überörtlichen Markt bei einem seriösen Restwertaufkäufer zu erzielen ist. Ob der Restwertaufkäufer das Fahrzeug (eventuell auch unter Verwendung von Gebrauchtteilen) wieder aufbauen und anschließend – unter Offenlegung des Unfallschadens und der Art seiner Beseitigung – mit Gewinn veräußern will, werden weder der Geschädigte noch der Sachverständige zuverlässig ermitteln können. Darauf sollte deshalb nicht abgestellt werden.
Rz. 88
Der Geschädigte darf im Allgemeinen die Veräußerung seines beschädigten Kraftfahrzeug ohne schadensersatzrechtliche Nachteile zu demjenigen Preis vornehmen, den ein von ihm eingeschalteter Sachverständiger als Wert auf dem allgemeinen regionalen Markt ermittelt hat. Der Geschädigte trägt regelmäßig nur dann ein Risiko, wenn er den Restwert ohne hinreichende Absicherung durch ein eigenes Gutachten realisiert und der Erlös sich später im Prozess als zu niedrig erweist (§ 254 BGB). Er kann dieses Risiko vermeiden, wenn er sich vor dem Verkauf des beschädigten Fahrzeugs mit dem Haftpflichtversicherer abstimmt oder ein eigenes Gutachten mit einer korrekten Wertermittlung einholt, auf dessen Grundlage er die Schadensberechnung vornehmen kann. Entsprechendes gilt, wenn der Geschädigte ein Sachverständigengutachten einholt, das eine korrekte Wertermittlung erkennen lässt, und dann im Vertrauen auf den darin genannten Restwert und die sich daraus ergebende Schadensersatzleistung des Unfallgegners sein unfallbeschädigtes Fahrzeug repariert hat und weiternutzt.
Rz. 89
Der Geschädigte muss allerdings darauf achten, dass das Sachverständigengutachten korrekt ist. Insoweit hat der Bundesgerichtshof die Anforderungen konkretisiert: Der zum Zweck der Schadensregulierung beauftragte Sachverständige hat das Gutachten unter Berücksichtigung der geltenden Rechtsprechung zum Schadensersatz bei Kraftfahrzeug-Unfällen zu erstellen. Lässt das Gutachten nicht erkennen, wie viele Angebote der Sachverständige eingeholt hat und von wem sie stammen, ist es unbrauchbar. Denn für den Geschädigten muss ersichtlich sein, ob der Sachverständige die Angebote auf dem maßgeblichen regionalen Markt ermittelt hat. Angaben wie "Restwert: Angebot liegt vor EUR 1000" oder "Der ausgewiesene Restwert basiert auf Angeboten von Interessenten" sind unbrauchbar. Der Sachverständige muss als ausreichende Schätzgrundlage entsprechend der Empfehlung des 40. Deutschen Verkehrsgerichtstags im Regelfall drei Angebote einholen. Ein "Ausreißerangebot" sollte nicht berücksichtigt werden.
Rz. 90
Der Geschädigte ist grundsätzlich nicht verpflichtet, einen Sondermarkt für Restwertaufkäufer im Internet in Anspruch zu nehmen. Ihm darf auch im Grundsatz nicht eine vom Schädiger gewünschte Verwertungsmodalität aufgezwungen werden. Er darf deshalb das beschädigte Fahrzeug seiner vertrauten Vertragswerkstatt oder einem Gebrauchtwagenhändler beim Erwerb eines Ersatzfahrzeugs in Zahlung geben. In diesem Fall kann der Schädiger den Geschädigten grundsätzlich nicht auf ein höheres Angebot verweisen, das nur auf einem Sondermarkt, etwa durch Einschaltung spezialisierter Restwertaufkäufer über das Internet, zu erzielen wäre. Allerdings muss sich der Geschädigte einen höheren Erlös anrechnen lassen, den er bei tatsächlicher Inanspruchnahme eines solchen Sondermarkts ohne besondere – überobligationsmäßige – Anstrengungen erzielt hat. Ganz allgemein lässt sich sagen, dass ein ohne besondere Anstrengungen erzielter Erlös, der den vom Sachverständigen geschätzten Betrag übersteigt, in der Regel anzurechnen ist. Hier ist allerdings Vorsicht geboten. Hat der Geschädigte durch die Inzahlunggabe des beschädigten Fahrzeugs bei einem Neuwagenkauf einen besonders guten Preis für das Altfahrzeug erzielt, wird das sehr häufig daran liegen, dass im Preis des vom Händler angekauften Altfahrzeugs Rabatte versteckt sind. Dieser Vorteil darf nicht dem Schädiger zugutekommen. Ohne konkreten Vortrag des Schädigers zu einer vom Normalen abweichenden Fallgestaltung sollte die Differenz zwischen dem vom Sachverständigen ermittelten Restwert und dem Verkaufspreis in solchen Fällen unbeachtet bleiben.
Rz. 91
Der Geschädigte kann im Einzelfall auch gehalten sein, von einer beabsichtigten Verwertung des Unfallfahrzeugs Abstand zu nehmen und eine sich ihm darbietende zumutbare Verwertungsmöglichkeit zu ergreifen. Unterbreitet etwa der Versicherer dem Geschädigten noch vor der Veräußerung des Fahrzeugs ein bindendes erheblich günstigeres Restwertangebot, das eine Abholung des Unfallfahrzeugs gegen Barzahlung eines garantierten Kaufpreises vorsieht und das der Geschädigte lediglich telefonisch annehmen muss, darf der Geschädigte nicht ohne Verstoß gegen seine Schadensminderungspflicht an seinen bisherigen wesentlich ungünstigeren Verkaufsplänen festhalten.
Rz. 92
Zu Zeiten der Abwrackprämie wurde erörtert, ob inso...