Rz. 189
Ist wegen der Entziehung einer Sache der Wert oder wegen der Beschädigung einer Sache die Wertminderung zu ersetzen, so kann der Verletzte Zinsen des zu ersetzenden Betrags von dem Zeitpunkt an verlangen, welcher der Bestimmung des Wertes zugrunde gelegt wird (§ 849 BGB). Die Vorschrift erfasst jeden Sachverlust durch Delikt. Auch wenn der Schädiger den Geschädigten durch eine unerlaubte Handlung wie beim Betrug oder der Erpressung dazu bestimmt, eine Sache wegzugehen oder darüber zu verfügen "entzieht" er sie ihm. § 849 BGB ist nicht auf die Wegnahme beschränkt. Der Zinsanspruch soll mit einem pauschalierten Mindestbetrag den Verlust der Nutzbarkeit einer Sache ausgleichen, der durch den späteren Gebrauch derselben oder einer anderen Sache nicht nachgeholt werden kann. Der Geschädigte verliert die Sachnutzung gleichermaßen, wenn ihm eine Sache ohne seinen Willen entwendet wird oder wenn er durch eine unerlaubte Handlung dazu gebracht wird, sie wegzugeben oder darüber zu verfügen. Dem Sinn und Zweck nach soll der Zinsanspruch den endgültig verbleibenden Verlust an Nutzbarkeit der Sache ausgleichen, der durch den späteren Gebrauch derselben oder einer anderen Sache nicht nachgeholt werden kann; § 849 BGB will dem Geschädigten die Beweislast dafür abnehmen, welchen Schaden er durch die Einbuße an Nutzbarkeit der Sache erlitten hat, indem er ihm ohne Nachweis eines konkreten Schadens – als pauschalierten Mindestbetrag des Nutzungsentgangs – Schadensersatz in Form von Zinszahlungen zuerkennt.
Rz. 190
Die Vorschrift findet folglich auch bei der Entziehung einer Sache aufgrund eines Unfallereignisses Anwendung. Bei einem unfallbedingten technischen oder wirtschaftlichen Totalschaden eines Kraftfahrzeugs wird dem Eigentümer das Kraftfahrzeug entzogen. In diesem Fall kann der Geschädigte von dem Schädiger die Verzinsung des Fahrzeugschadens ab dem Unfalldatum fordern. Die Verzinsungspflicht gilt allerdings nur für Zeiträume, für die keine Nutzungsausfallentschädigung gezahlt wird; Zinsen nach § 849 BGB und Nutzungsausfallentschädigung können für dieselben Zeiträume nicht nebeneinander geltend gemacht werden. Die Verzinsungspflicht dauert fort, bis der Geschädigten den Ersatzbetrag vom Schädiger tatsächlich erhält; die Wieder- oder Ersatzbeschaffung der Sache durch den Geschädigten mit eigenen Mitteln beeinflusst die Einstandspflicht des Schädigers zum Ausgleich des Vermögens des Geschädigten nicht.
Rz. 191
§ 849 BGB gilt auch für Ansprüche nach dem StVG, denn der Nutzungsentgang bei einem (entzogenen) Kraftfahrzeug berührt das Interesse des Geschädigten in gleicher Weise, unabhängig davon, ob Ansprüche aus den §§ 823 ff. BGB oder aus den §§ 7, 18 StVG begründet sind; die Vorschrift ist auch anzuwenden, wenn andere Haftungsnormen greifen, etwa § 839 BGB.
Rz. 192
Die Zinspflicht nach § 849 BGB greift nur für die Ersatzsumme ein, die im Falle der Entziehung für deren Wert oder im Falle der Beschädigung für deren nach der Wiederherstellung verbleibende Wertminderung geschuldet wird. Verlangt der Geschädigte Ersatz von Reparaturkosten, kommt eine Verzinsung nach § 849 BGB nur hinsichtlich einer nach Durchführung der Reparatur verbleibenden Wertminderung in Betracht. Dass sich die Bedeutung der Vorschrift nach bisheriger Rechtsprechung damit im Wesentlichen auf Fälle der Sachzerstörung und -vorenthaltung reduziert, wird kritisiert verbunden mit der Forderung, die Rechtsprechung sollte § 849 BGB auf den Anspruch auf Reparaturkostenersatz analog anwenden und ihr damit mehr praktische Bedeutung verschaffen, anstatt ganz auf die Entschädigung wegen abstrakten Nutzungsentgangs zu setzen. Das erscheint diskutabel, doch dürfte für eine derartige Umstellung des Regulierungsgeschehens kaum ein praktisches Bedürfnis bestehen.
Rz. 193
Der der Bestimmung des Wertes zugrunde zu legende Zeitpunkt ist von dem Gericht gemäß § 287 ZPO unter Berücksichtigung der Umstände des einzelnen Falles nach freiem Ermessen festzusetzen, wobei in geeigneten Fällen der Tag der Begehung der unerlaubten Handlung maßgeblich sein kann. In Unfallsachen ist auf den Unfalltag abzustellen, wenn z.B. das Fahrzeug nicht mehr fahrbereit ist; die Zinspflicht endet mit der Beschaffung einer Ersatzsache durch den Schädiger bzw. durch Erfüllung des Schadensersatzanspruchs.
Rz. 194
Ohne Darlegung und Nachweis eines höheren Schadens gilt der gesetzliche Zinsfuß des § 246 BGB in Höhe von 4 %.
Rz. 195
Auf einen Schmerzensgeldanspruch ist § 849 BGB nicht anzuwenden.