Rz. 1
Die Unternehmensnachfolge, gerade in Familienunternehmen, stellt nicht nur aus der Sicht des Unternehmers eine der schwierigsten Aufgaben dar. Neben allgemeinen zivil- bzw. gesellschaftsrechtlichen Fragestellungen und vielfältigen steuerrechtlichen Problemen ist insbesondere die Herausforderung zu bewältigen, einen wirtschaftlich sinnvollen Übergang der Verantwortung in die nächste Generation (oder an einen anderen Erwerber) zu gewährleisten. In diesem Zusammenhang spielen selbstverständlich auch sehr viele persönliche Fragen (Abgabe bzw. Übernahme von Verantwortung, wirtschaftliche Absicherung im Alter etc.) eine wichtige Rolle.
Rz. 2
Hinzu kommt aber in sehr vielen Fällen auch das Problem, dass das zu übertragende bzw. zu vererbende Unternehmen das wesentliche Vermögen des Inhabers darstellt. Privatvermögen außerhalb des unternehmerischen Bereichs ist zwar vielfach vorhanden, jedoch nicht in einer Größenordnung, die den Wert des Unternehmens auch nur annähernd erreicht.
Rz. 3
Dies bedeutet für eine Vielzahl von Betroffenen bereits ein ganz persönliches Dilemma, weil eine – rechnerisch nachvollziehbare – Gleichbehandlung oder wenigstens als gerecht empfundene Behandlung aller Abkömmlinge ausgeschlossen erscheint. Hinzu kommt aber, dass sich dieses persönliche Dilemma über die Regelungen der §§ 2303 ff. BGB auch als juristisches Problem manifestiert. Das Pflichtteilsrecht bildet somit quasi eine Gestaltungsgrenze für (im Übrigen) wirtschaftlich sinnvolle Nachfolgekonstruktionen.
Rz. 4
Dies gilt umso mehr, als Pflichtteilsansprüche – anders als etwa die Erbschaftsteuer, soweit die Vorgaben der §§ 13a ff. ErbStG beachtet werden – kaum umgangen werden können. Abgesehen von einer lebzeitigen Schenkung des Unternehmens, nach deren endgültiger Ausführung der Schenker noch zehn Jahre – oder nach der Neufassung von § 2325 Abs. 3 BGB im Rahmen der Erbrechtsreform 2010 wenigstens einen möglichst großen Teil davon – lebt, kommt eine Vermeidung von Pflichtteilsansprüchen aus eigener Kraft, also ohne Mitwirkung der Pflichtteilsberechtigten selbst, nicht in Betracht. Gerade diese Mitwirkung kann aber nicht in allen Fällen erreicht werden, so dass eine klare Vorstellung davon, mit welchen Belastungen im Fall der Geltendmachung des Pflichtteils zu rechnen wäre, umso bedeutender erscheint.
Rz. 5
Genau diese Frage ist in der Praxis aber nur sehr schwer zu beantworten. Das liegt zum einen daran, dass die Bewertung eines Unternehmens als lebender Organismus von einer Vielzahl von Prognosen und Annahmen abhängt, die sehr stark wertend geprägt sind. Darüber hinaus stellt eine Bewertung aber auch stets nur eine Momentaufnahme bezogen auf einen Bewertungsstichtag dar. Die zukünftigen Entwicklungen können von den ursprünglichen Annahmen im Einzelfall sehr stark abweichen, so dass sich die Frage aufdrängt, ob mit den späteren Entwicklungen wirklich nicht zu rechnen war oder ob das Bewertungsgutachten an handwerklichen Fehlern leidet.
Rz. 6
Diese Unsicherheiten können sich sowohl zum Vor- als auch zum Nachteil des Pflichtteilsberechtigten auswirken. Übergeber und Unternehmensnachfolger müssen sich aber dessen ungeachtet von vornherein darauf einstellen, dass größere Planungsunsicherheiten nur schwer vermieden werden können.
Rz. 7
Nichtsdestotrotz wird eine verantwortliche Unternehmensnachfolgeplanung ohne das Herausarbeiten konkreter Vorstellungen vom Wert des zu übertragenden Unternehmens nicht auskommen können. Dies gilt sowohl im Fall lebzeitiger Übertragungen als auch im Hinblick auf Regelungen zur Nachfolge von Todes wegen. In beiden Fällen darf die potenzielle Liquiditätsbelastung im Falle der Geltendmachung von Pflichtteilsansprüchen bei der Planung nicht unberücksichtigt bleiben.
Rz. 8
Vor diesem Hintergrund stellt sich zunächst die Frage, wie der Wert eines Unternehmens zum Zwecke der Ermittlung von Pflichtteilsansprüchen überhaupt zu bestimmen ist und ob bzw. welche Besonderheiten hierbei Berücksichtigung finden müssen.
Rz. 9
Sodann ist zu klären, ob bzw. wie sich die Rechtsform des Unternehmens bzw. der Beteiligung am Unternehmen auf die Wertermittlung und somit auch auf den Umfang möglicher Pflichtteilsansprüche auswirken.
Rz. 10
Auf dieser Basis kann sodann erwogen werden, ob bzw. mit Hilfe welcher Gestaltungsmittel der "Störfaktor" Pflichtteilsrecht im konkreten Fall minimiert werden kann.
Rz. 11
Wichtig ist jedoch in jedem Fall, zunächst eine möglichst klare Vorstellung davon zu entwickeln, welchen Umfang die drohenden Liquiditätsbelastungen haben. Nur mit diesem Wissen sind seriöse Planungen und auch Gespräche mit potenziell Pflichtteilsberechtigten möglich.