Ralf Knaier, Dr. Peter Stelmaszczyk
Rz. 128
Die Frage, ob im Rahmen einer Verschmelzung an die Anteilsinhaber der übertragenden Rechtsträger als Ersatz für den Verlust ihrer Rechtsposition Anteile am übernehmenden Rechtsträger gewährt werden müssen, ist von der Frage zu trennen, woher diese zu gewährenden Anteile kommen (z.B. bei Kapitalgesellschaften aus einer Kapitalerhöhung). Das Gesetz sieht eine allgemeine Ausnahme von der Anteilsgewährungspflicht allein bei der Verschmelzung der 100 %igen Tochtergesellschaft auf ihre Mutter (vgl. §§ 5 Abs. 2, 20 Abs. 1 Nr. 3 Halbs. 2, 1. Alt. UmwG) sowie bei eigenen Anteilen an dem übertragenden Rechtsträger (§ 20 Abs. 1 Nr. 3 Halbs. 2, 2. Alt. UmwG) vor. Die bei dieser Konstellation ansonsten erfolgende Gewährung eigener Anteile an dem aufnehmenden Rechtsträger soll bei Kapitalgesellschaften vermieden werden und wäre bei Personenhandelsgesellschaften nach allgemeinen gesellschaftsrechtlichen Regeln gar nicht möglich. Auch durch bare Zuzahlungen kann die Anteilsgewährung nur bis 10 % des Nennbetrags der gewährten Anteile ersetzt werden (§§ 54 Abs. 4, 68 Abs. 3 UmwG). Eine Darlehensgewährung als Gegenleistung ist ebenso wie eine Sachleistung unzulässig. Ein eventueller Mehrwert des übertragenden Rechtsträgers muss in die Kapitalrücklagen gestellt werden.
Seit dem Dritten UmwÄndG ergibt besteht im Falle der Zwischenschaltung eines sog. verschmelzungsspezifischen Squeeze-out nach § 62 Abs. 5 UmwG eine weitere Ausnahme von diesem Grundsatz.
Rz. 129
Früher war die Frage umstritten, ob durch die Berechtigten auf die Gewährung von Anteilen verzichtet werden kann. Seit dem Zweiten UmwÄndG sieht das Gesetz in §§ 54 Abs. 1 Satz 3 und 68 Abs. 1 Satz 3 die Möglichkeit eines einvernehmlichen notariellen Verzichts auf die Gewährung von Anteilen ausdrücklich vor. Nach dem Wortlaut des Gesetzes müssen die Verzichtserklärungen in der Form der Willenserklärungsbeurkundung nach §§ 6 ff. BeurkG abgegeben werden. Das Tatsachenprotokoll nach §§ 36 ff. BeurkG wie bei der Beschlussfassung genügt nicht. Die Regelung erlaubt auch den Verzicht nur einzelner Gesellschafter, nicht zwingend aller oder gar keiner. Allerdings wird auch für einen nur teilweisen Verzicht die Zustimmung aller Gesellschafter beim übertragenden Rechtsträger verlangt. Bei einer Verschmelzung der 100 %igen Mutter auf ihre Tochter ist ein vollständiger Anteilsgewährungsverzicht ausgeschlossen, da ansonsten eine "Keinpersonengesellschaft" entstehen würde.
Rz. 130
Nach bisherigem Rechtsstand wurde die Anteilsgewährungspflicht als Wesensmerkmal der Verschmelzung und Spaltung angesehen sowie die hierbei zu berücksichtigenden Gläubigerschutzgesichtspunkte betont. Insbesondere im Fall der Schwesterverschmelzung ergab eine Anteilsgewährung jedoch gerade aus Sicht der Anteilseigner wirtschaftlich wenig Sinn und sollte daher vermieden werden. Die obergerichtliche Rspr. ist dem aus Gläubigerschutzerwägungen jedoch nicht gefolgt. In der Praxis wurde dieser Grundgedanke des Gläubigerschutzes aber bisher schon dadurch ausgehebelt, dass – von den Registergerichten inzwischen allgemein anerkannt – bei Kapitalgesellschaften die kleinstmögliche Anteilsgewährung (jetzt 1,00 EUR Geschäftsanteile und 1,00 EUR Aktie) mit einer entsprechend kleinen Kapitalerhöhung bei der aufnehmenden Kapitalgesellschaft für zulässig gehalten wird. Dieser Umweg ist heute nun nicht mehr nötig.
Rz. 131
Bei der Verschmelzung von Personengesellschaften erscheint die Frage der Anteilsgewährungspflicht auch jetzt noch offen. Zwar können bei der KG nur in geringem Maße und bei der OHG als aufnehmendem Rechtsträger überhaupt keine Gläubigerschutzgesichtspunkte relevant werden. Die neuen Verzichtsmöglichkeiten in §§ 54 und 68 UmwG betreffen aber sowohl von ihrem Wortlaut als auch ihrem Standort nur Verschmelzungen auf eine GmbH oder eine AG. Systematisch richtig (Frage der Anteilsgewährung nicht der Kapitalerhöhung!) hätte eine Regelung in § 20 UmwG erfolgen müssen. Dann wäre ihre rechtsformübergreifende Anwendung für alle Verschmelzungen klar geworden. Für die Praxis bleibt die Frage derzeit noch ungeklärt, ob die Verzichtsmöglichkeit "erst recht" analog §§ 54, 68 UmwG für Personengesellschaften gilt, oder ob es sich bei dieser Regelung um eine bewusste Sonderregelung für den praktisch wichtigen Fall der Verschmelzung auf eine Kapitalgesellschaft handelt. Diese Frage wird vor allem bei der Verschmelzung zweier Schwester-GmbH & Co KG mit gleicher Komplementär-GmbH diskutiert. Die Spaltung zu Null ist demgegenüber nach § 128 UmwG auch bei der Beteiligung von Personengesellschaften zulässig.
Rz. 132
Das im UmwG vorgesehene Gläubigerschutzprinzip beschränkt sich auf
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die Möglichkeit von Sicherheitsleistung (§ 22 UmwG) bzw. Haftung der beteiligten Verwaltungsträger (§§ 25, 27 UmwG), |
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Nachhaftung der persönlich haftenden Gesellschafter (§§ 45, 45e UmwG), |
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Fortdauer der Nachschusspflicht bei Genossen (§§ 95, 96 UmwG) sowie |
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