Ralf Knaier, Dr. Peter Stelmaszczyk
Rz. 544
Bei einer Umstrukturierung nach dem klassischen Anwachsungsmodell treten sämtliche Gesellschafter bis auf einen zu einem einheitlichen Zeitpunkt aus der Personengesellschaft aus.
Hinweis
Häufig handelt es sich bei dem verbleibenden Gesellschafter um die Komplementär-GmbH einer GmbH & Co. KG, sodass im Ergebnis ein Formwechsel von der Personengesellschaft in eine GmbH vorliegt.
Rz. 545
Zur Umsetzung des klassischen Anwachsungsmodells ist zunächst ein Beschluss der Gesellschafter über das Ausscheiden aller Gesellschafter bis auf einen Gesellschafter erforderlich. In dem Beschluss ist der Zeitpunkt des Austritts der Gesellschafter und somit des Übergangs des Gesellschaftsvermögens auf den verbleibenden Gesellschafter festzulegen (Anwachsungsstichtag).
Rz. 546
Darüber hinaus sind in dem Beschluss Regelungen über die Art und die Höhe von Abfindungszahlungen der Gesellschaft an die ausscheidenden Gesellschafter zu treffen. Dabei ist es möglich, dass die ausscheidenden Gesellschafter auf eine Abfindung verzichten. Dies kann aus Vereinfachungsgründen dann sinnvoll sein, wenn bei einer GmbH & Co. KG die ausscheidenden Kommanditisten an der Komplementär-GmbH im gleichen Verhältnis wie an der aufgelösten KG beteiligt sind. Da sich in diesem Fall der Wert der Beteiligung an der GmbH um den Wert der Kommanditbeteiligung erhöht, verändert sich die Vermögenssituation der Kommanditisten durch ihr Ausscheiden aus der KG nicht.
Hinweis
Viele Gesellschaftsverträge enthalten Kündigungsklauseln, die es einzelnen Gesellschaftern ermöglichen, unter Einhaltung einer Kündigungsfrist aus der Gesellschaft auszuscheiden. Derartige Kündigungsfristen müssen bei der Festlegung des Stichtags des Austritts der Gesellschafter nicht berücksichtigt werden. Denn durch den Gesellschafterbeschluss wird der Gesellschaftsvertrag im Hinblick auf die Durchführung der Anwachsung einvernehmlich abgeändert.
Rz. 547
Der Gesellschafterbeschluss über die Durchführung des Anwachsungsmodells muss grds. einstimmig gefasst werden, da die Gesellschafterstellung nur mit Zustimmung des jeweils betroffenen Gesellschafters aufgehoben werden kann.
Im Gesellschaftsvertrag können abweichende Mehrheitserfordernisse vereinbart werden.
Hinweis
Bei der Gestaltung entsprechender Klauseln in Gesellschaftsverträgen ist zu berücksichtigen, dass Mehrheitsklauseln bei Eingriffen in den Kernbereich der Mitgliedsrechte der einzelnen Gesellschafter nur zulässig sind, wenn sie sich ausdrücklich auf das konkrete Mitgliedschaftsrecht beziehen und Ausmaß und Umfang des zulässigen Eingriffs erkennen lassen. V.a. bei Klauseln über den Ausschluss von Gesellschaftern ohne deren Zustimmung sind daher hohe Anforderungen an deren Bestimmtheit zu stellen. Im Gesellschaftsvertrag müsste daher ausdrücklich geregelt sein, dass ein Gesellschafter durch Mehrheitsbeschluss aus der Gesellschaft ausscheidet, wenn sämtliche übrigen Gesellschafter bis auf einen Gesellschafter ebenfalls aus der Gesellschaft ausscheiden, um die Anwachsung des Gesellschaftsvermögens beim letzten verbleibenden Gesellschafter zu bewirken. Zur Erhöhung der Rechtssicherheit sollten im Gesellschaftsvertrag bereits die Gesellschafter, zu deren Gunsten das Anwachsungsmodell durchgeführt werden soll, sowie die kürzestmögliche Frist zwischen dem Mehrheitsbeschluss und dem Ausscheiden des Gesellschafters genannt werden.
Rz. 548
Sofern die Anwachsung unter Ausschluss des Abfindungsanspruchs der ausscheidenden Gesellschafter erfolgen soll, können hierfür keine Mehrheitsbeschlüsse in der Satzung vereinbart werden. Denn dies würde im Ergebnis einem satzungsmäßigem Ausschluss des Anspruchs auf ein Abfindungsguthaben gleichkommen. Ein derartiger Verzicht auf die Abfindung kann nur ad hoc aus Anlass des Ausscheidens vereinbart werden und ist vorab nicht zulässig.
Rz. 549
Der Gesellschafterbeschluss bedarf keiner besonderen Form, soweit im Gesellschaftsvertrag nichts anderes vereinbart ist. Insb. bei einstimmiger Beschlussfassung können die Gesellschafter entsprechend den Grundsätzen über Vollversammlungen auf alle gesetzlichen und gesellschaftsvertraglichen Formen und Fristen der Einberufung und Ankündigung von Gesellschafterversammlungen verzichten.
Die liquidationslose Beendigung der Personenhandelsgesellschaft durch Ausscheiden aller Gesellschafter bis auf einen ist gem. § 143 Abs. 1 und Abs. 2 HGB von sämtlichen Gesellschaftern (d.h. den ausgeschiedenen und dem verbleibenden) in notariell beglaubigter Form (§ 12 HGB) zum Handelsregister anzumelden.