Ralf Knaier, Dr. Peter Stelmaszczyk
aa) Anwendbarkeit der Nachgründungsvorschriften auf Sachkapitalerhöhungen
Rz. 647
Der Anwendungsbereich von § 52 AktG umfasst gem. § 52 Abs. 1 AktG bestimmte Verträge, durch die die AG "vorhandene oder herzustellende Anlagen oder anderen Vermögensgegenstände" von ihren Gründungsaktionären oder Aktionären, die mit mehr als 10 % am Grundkapital beteiligt sind, innerhalb von 2 Jahren seit der Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister erwerben soll. Die Nachgründungsvorschriften erfassen nach dem Wortlaut also schuldrechtliche Austauschverträge. Es soll eine Umgehung der Regelungen zur Sachgründung durch zeitnahe Erwerbsgeschäfte der AG mit den Gründern oder anderen Großaktionären verhindert werden.
Rz. 648
Eine Sachkapitalerhöhung ist kein schuldrechtlicher Austauschvertrag zwischen den Aktionären und der AG, sondern ein korporatives Rechtsgeschäft. Trotzdem ist § 52 AktG nach überwiegender Ansicht bei Sachkapitalerhöhungen analog anwendbar, wenn sie innerhalb von 2 Jahren seit der Gründung der AG durchgeführt werden und die Sacheinlagen von den Gründern oder von Aktionären geleistet werden, die mit mehr als 10 % an der AG beteiligt sind. Maßgeblich für die Beteiligungshöhe ist dabei die voraussichtliche Beteiligung nach Durchführung der Sachkapitalerhöhung. Daher sind die Nachgründungsvorschriften auch dann anzuwenden, wenn durch die Sachkapitalerhöhung ein Aktionär, der bislang noch nicht an der AG beteiligt war, eine wesentliche Beteiligung erhalten wird. Bei Sacheinlagen von Aktionären mit geringeren Beteiligungen als 10 % des Grundkapitals nach der Kapitalerhöhung gelten die allgemeinen Vorschriften zu Sachkapitalerhöhungen in § 183 AktG.
bb) Verfahrensschritte
Rz. 649
Die einzelnen Schritte einer Nachgründung ergeben sich aus den detaillierten Regelungen des § 52 AktG. Danach muss bei der Sachkapitalerhöhung im Wege der Nachgründung folgender Ablaufplan eingehalten werden:
Rz. 650
Zunächst ist der Einbringungsvertrag über die Sacheinlage zwischen der AG und dem jeweiligen Aktionär abzuschließen. Dieser Vertragsschluss kann nicht als vorzeitige Einlageleistung gewertet werden, denn gem. § 52 Abs. 1 AktG sind sämtliche nachgründungspflichtigen Verträge bis zum Abschluss des Nachgründungsverfahrens mit der Eintragung in das Handelsregister schwebend unwirksam. Daher erfolgt durch den Abschluss des Einbringungsvertrages noch keine endgültige dingliche Vermögensübertragung an die AG vor einem entsprechenden Hauptversammlungsbeschluss über die Kapitalerhöhung.
Rz. 651
Über den Einbringungsvertrag muss die Hauptversammlung beschließen. Sofern keine Vollversammlung sämtlicher Aktionäre stattfinden kann, bei der kein Aktionär der Beschlussfassung widerspricht, erfolgt die Einberufung der Hauptversammlung nach den allgemeinen Regeln (§ 121 Abs. 6 AktG). Insb. muss dann der Einbringungsvertrag in den Geschäftsräumen ausgelegt und sein Inhalt gem. § 124 Abs. 2 Satz 2 AktG mit der Tagesordnung den Aktionären bekannt gemacht werden. Im Fall einer Vollversammlung sind diese Formalien dagegen verzichtbar.
Rz. 652
Nicht verzichtbar im Fall einer Vollversammlung sind die Erstattung eines Nachgründungsberichtes durch den Aufsichtsrat (§ 52 Abs. 3 AktG) und eines Prüfungsberichts durch einen gerichtlich bestellten Gründungsprüfer (§ 52 Abs. 4 AktG) vor der Hauptversammlung. Bei einer Sachkapitalerhöhung sind sowohl eine Sacheinlageprüfung nach § 183 Abs. 3 AktG als auch eine Nachgründungsprüfung erforderlich. Die beiden Prüfungen können jedoch verbunden und ihre Ergebnisse in einem Prüfungsbericht zusammengefasst werden. Das Gericht muss den Prüfer dazu ausdrücklich sowohl als Sach- als auch als Nachgründungsprüfer bestellen.
Rz. 653
I.d.R. wird die Sachkapitalerhöhung unter Ausschluss des Bezugsrechts der übrigen Aktionäre erfolgen. Daher müssen die Vorschriften zur Beschlussfassung über einen Bezugsrechtsausschluss in § 186 Abs. 3 und Abs. 4 AktG beachtet werden. Insb. ist der Vorstand verpflichtet, der Hauptversammlung in einem schriftlichen Bericht die Gründe für den Ausschluss des Bezugsrechts darzulegen und den vorgeschlagenen Ausgabebetrag der neuen Aktien zu begründen. Die Vorlage eines Vorstandsberichtes ist nicht erforderlich, wenn alle Aktionäre in einer Vollversammlung darauf verzichten.
Rz. 654
Die Hauptversammlung muss dann einen Kapitalerhöhungsbeschluss fassen und dem Einbringungsvertrag zustimmen. Dabei muss die Zustimmung zum Einbringungsvertrag gem. § 52 Abs. 5 AktG mit einer Mehrheit von mindestens 75 % des bei der Beschlussfassung vertretenen Grundkapitals erfolgen. Wird der Vertrag im ersten Jahr nach der Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister geschlossen, muss die zustimmende Mehrheit außerdem mindestens ein Viertel des gesamten vorhandenen Grundkapitals umfassen (§ 52 Abs. 5 Satz 2 AktG). Eine Abmilderung dieser gesetzlichen Erfordernisse durch entsprechende Satzungsbestimmungen ist unzulässig.
Rz. 655
Die erf...