Ralf Knaier, Dr. Peter Stelmaszczyk
Rz. 554
Die steuerlichen Folgen einer einfachen Anwachsung unterscheiden sich von denen einer erweiterten Anwachsung:
Rz. 555
Wenn im Rahmen einer erweiterten Anwachsung den einbringenden Gesellschaftern Gesellschaftsanteile an der aufnehmenden Personen- oder Kapitalgesellschaft gewährt werden, liegt grds. eine Einbringung von Mitunternehmeranteilen gem. §§ 20, 24 UmwStG vor. Noch nicht höchstrichterlich geklärt ist jedoch, ob die Vorschriften des Umwandlungssteuergesetzes nach der Einführung von § 1 Abs. 3 Nr. 4 UmwStG durch das SEStEG auf die erweiterte Anwachsung überhaupt noch angewandt werden können. In § 1 Abs. 3 UmwStG wird der sachliche Anwendungsbereich von §§ 20, 24 UmwStG abschließend geregelt. Danach gelten die Vorschriften nur noch für umwandlungsrechtliche Vorgänge, für Fälle des Anteilstauschs sowie Einbringungen im Wege der Einzelrechtsnachfolge. Da sich der Vermögensübergang bei der erweiterten Anwachsung im Wege der Gesamtrechtsnachfolge vollzieht, sollen bei dieser Konstruktion die vorteilhaften Vorschriften des UmwG nach Ansicht von Teilen des Schrifttums nicht mehr anwendbar sein.
Diese Ansicht übersieht, dass die erweiterte Anwachsung ein zweigliedriger Vorgang ist. Zunächst erfolgt die Übertragung der Mitunternehmeranteile auf die aufnehmende Gesellschaft gegen Gewährung neuer Anteile. Hierbei handelt es sich um den umwandlungssteuerlich relevanten Einbringungsvorgang des Gesellschaftsanteils im Wege der Einzelrechtsnachfolge. Erst in einem zweiten Schritt erfolgt – unabhängig vom Willen der Beteiligten und nicht aufgrund eines Rechtsgeschäfts – der Übergang des Vermögens der Personengesellschaft auf die aufnehmende Gesellschaft.
Daher kann die aufnehmende Gesellschaft erst (für eine logisches Sekunde) die übertragenen Gesellschaftsanteile und sodann das auf sie übergehende Betriebsvermögen auf Antrag beim Finanzamt und bei Vorliegen der jeweiligen Voraussetzungen mit dem Buchwert oder einem Zwischenwert bis max. dem gemeinen Wert ansetzen. I.Ü. gelten dann die unter Rdn 535 ff. skizzierten Regelungen. Im Ergebnis kann eine erweiterte Anwachsung somit nach überwiegender Auffassung weiterhin unter bestimmten Voraussetzungen steuerneutral durchgeführt werden. Dies sieht auch die Finanzverwaltung so.
Rz. 556
Da bei einer einfachen Anwachsung einer GmbH & Co. KG auf deren Komplementär-GmbH keine einbringende Übertragung von Gesellschaftsanteilen erfolgt und auch keine neuen Gesellschaftsanteile gewährt werden, sind hier die Tatbestandsvoraussetzungen von §§ 20–24 UmwStG nicht erfüllt. Daher ist die einfache Anwachsung grds. als erfolgswirksamer Vorgang anzusehen. Für die ausscheidenden Gesellschafter ergibt sich ein gem. §§ 16, 34 EStG zu versteuernder Gewinn, wenn eine etwaige an sie gewährte Bar- oder Sachwertabfindung höher als der Buchwert ihrer Beteiligung ist. Der Gesellschafter, dem das Vermögen der Personengesellschaft anwächst, muss dann die Buchwerte der ihm zugewachsenen Vermögensgegenstände aufstocken bzw. es ergibt sich in dem Fall, dass die Komplementär-GmbH einer GmbH & Co. KG das Vermögen der Gesellschaft durch Anwachsung erwirbt, bei dieser ein Erwerb zu Teilwerten. Dies gilt unabhängig davon, ob der aufnehmende Gesellschafter eine Einzelperson, eine Mitunternehmerschaft oder Kapitalgesellschaft ist.
Etwas anderes ergibt sich bei der einfachen Anwachsung nur, wenn die Gesellschafter ohne Abfindung aus der Gesellschaft ausgeschieden sind. In diesem Fall kann § 6 Abs. 3 EStG (direkt oder analog) anwendbar sein, wenn die Anwachsung auf eine natürliche Person oder eine Personengesellschaft erfolgt. Dies hat zur Folge, dass die Anwachsung ertragsteuerlich unbeachtlich ist und die Wirtschaftsgüter mit ihren bisherigen Wertansätzen fortgeführt werden müssen. In diesen Fällen sind aber immer die schenkungsteuerlichen Folgen der Gestaltung zu prüfen.
Rz. 557
Ob § 6 Abs. 3 EStG auch bei der abfindungslosen Anwachsung des Gesellschaftsvermögens auf Kapitalgesellschaften anwendbar ist, wird bestritten. Allerdings wird das abfindungslose Ausscheiden aus der Personengesellschaft zugunsten einer Kapitalgesellschaft i.d.R. auf gesellschaftsrechtlichen Gründen beruhen, weil die ausscheidenden Personengesellschafter auch Gesellschafter der Kapitalgesellschaft sind. In diesen Fällen liegt eine verdeckte Einlage vor. Die verdeckte Einlage führt daher bei den ausscheidenden Gesellschaftern zu einer Gewinnrealisierung aufgrund der Aufgabe ihres Mitunternehmeranteils. Für die Gewinnermittlung ist die Wertdifferenz zwischen dem Buchwert und dem gemeinen Wert der Kommanditanteile maßgeblich. Gleichzeitig führt die verdeckte Einlage gem. § 6 Abs. 6 Satz 2 EStG zu nachträglichen höheren Anschaffungskosten der Beteiligung an der Kapitalgesellschaft (i.d.R. der Komplementär-GmbH).