Eberhard Rott, Dr. Michael Stephan Kornau
Rz. 32
In früheren Veröffentlichungen wurde für anwaltliche Testamentsvollstrecker ein Stundensatz von 120 EUR zuzüglich Umsatzsteuer vorgesehen. Als Grundlage diente der durchschnittliche Stundensatz eines Rechtsanwaltes, wobei auf das Statistische Berichtssystem für Rechtsanwälte (STAR) bezogen auf das Wirtschaftsjahr 1997 zurückgegriffen wurde. Dieser pauschale Ansatz dürfte allerdings zu kurz greifen. Anwaltliche Stundensätze differieren sehr stark. Sie hängen von vielen Faktoren ab, beispielsweise vom örtlichen Marktgefüge, von der Größe der Kanzlei, der Zahl der Beschäftigten, der vorgehaltenen Infrastruktur, dem bearbeiteten Rechtsgebiet, aber auch der Reputation und den individuellen Erfahrungen des jeweiligen Anwaltes. Einen "Regelsatz" für einen als Testamentsvollstrecker tätigen Rechtsanwalt kann es daher nicht geben, dies würde auch der Angemessenheitsbetrachtung im Rahmen des §§ 2221 BGB nicht gerecht. Immerhin geht es auf die Entscheidung des jeweiligen Erblassers zurück, wenn er einen konkreten Berufsträger mit der Testamentsvollstreckung beauftragt. Das OLG Köln hat bereits im Jahr 1988 für einen Testamentsvollstrecker, der Wirtschaftsprüfer war, einen Stundensatz von 250 DM als angemessen erachtet.
Für anwaltliche Vorsorgebevollmächtigte werden Stundensätze bis zu 300 EUR empfohlen. Die mittleren Stundensätze für Rechtsanwälte im Jahr 2004 wurden mit 150 EUR bis 350 EUR verortet. Besonders spezialisierten Anwälten werden Stundensätze von 1.000 EUR genannt.
Rz. 33
Aktuell belaufen sich die üblichen Stundensätze für Rechtsanwälte zwischen 190 EUR und 400 EUR. Geht man von dem Fall aus, dass der Erblasser die Person des Testamentsvollstreckers konkret bestimmt hat, erscheinen auch höhere Stundensätze denkbar, beispielsweise wenn ein besonders spezialisierter Wirtschaftsanwalt tätig werden soll. Die Beurteilung der Vergütung im Rahmen des § 2221 BGB ist immer eine Beurteilung der insgesamt angefallenen Vergütung. Ein Wirtschaftsanwalt, der seine Anwaltsstunde mit 750 EUR vergütet erhält, aber parallel dazu Mitarbeiter für Aufgaben einsetzt, die er als Testamentsvollstrecker nicht persönlich erledigen muss, und hierfür beispielsweise vier Mitarbeiterstunden einsetzt, verursacht letztendlich für fünf Stunden Testamentsvollstreckung auch keine höheren Kosten, als ein Rechtsanwalt, der sämtliche Arbeiten zu einem Stundensatz von 150 EUR selbst durchführt. Die Angemessenheitsprüfung im Rahmen des § 2221 BGB kann sich also nicht nur in der Beurteilung des anwaltlichen Stundensatzes erschöpfen, sie muss zusätzlich berücksichtigen, welche Aufgaben erledigt wurden. Je mehr Aufgaben (im Rahmen des rechtlich möglichen) delegiert wurden, umso höher kann im Ergebnis der konkrete Stundensatz des als Testamentsvollstrecker tätigen Anwaltes sein, ohne die Grenzen der Angemessenheit zu überschreiten.
Rz. 34
Bei Stundensätzen von Testamentsvollstreckern, die oberhalb von 400 EUR liegen, wird sich möglicherweise die Frage stellen, ob diese überhöht sein könnten. Es erscheint nicht ausgeschlossen, dass zur Beurteilung dieser Frage vergleiche zu anwaltlichen Stundensätzen gezogen werden. Eine hohe anwaltliche Honorarvereinbarung ist nicht schon deshalb als sittenwidrig und damit gemäß § 138 BGB nichtig anzusehen, weil das Honorar im Vergleich zur gesetzlichen Vergütung um das Sechsfache erhöht ist. Einem derart erhöhten Stundensatz soll aber eine (widerlegliche) Indizwirkung für das Vorliegen von Sittenwidrigkeit zukommen. Maßgeblich für die Beurteilung, ob das Honorar angemessen ist, ist, ob die Honorarhöhe durch Höhe des Stundensatzes an sich oder durch die vermehrt angefallenen Tätigkeiten zustande gekommen ist. Ein erhöhter Tätigkeitsaufwand kann zur Sittenwidrigkeit führen, wenn Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der hohe Zeitaufwand der anwaltlichen Tätigkeiten unangemessen aufgebläht wurde, zum Beispiel, weil der Anwalt wissentlich die gebotene Konzentration oder Beschleunigung der Mandatswahrnehmung außer Acht gelassen hat.
Rz. 35
Für die Angemessenheit der Vergütung spricht, wenn der Betrag zwischen dem Testamentsvollstrecker und den Erben vereinbart und entrichtet wurde. Im Übrigen ist auf die gängigen Tabellen zurückzugreifen, wobei jedoch stets die Besonderheiten des Einzelfalls zu berücksichtigen sind. Im Zweifelsfalle dürfte eine Obergrenze von 12 % des Nachlasswertes die Angemessenheit zu beschränken.
Gestaltungshinweis
Wenn es darum geht, einen angemessenen Stundensatz für die Tätigkeit als Testamentsvollstrecker im Testament zu verankern, stellt sich die Frage, wie dieser Stundensatz vor Inflation gesichert werden kann. Hier bietet sich ein Rückgriff auf den gesetzlich geregelten Stundensatz der Steuerberater an, sofern man darauf vertraut, dass dieser den geänderten Kaufkraftverhältnissen regelmäßig angepasst wird. Durch einen individuellen Multiplikator kann den Anforderungen an die eigenen betriebswirtschaftlichen Bedürfnissen Rechnung getragen werden. Formuliert we...