Rz. 70
Gerade im Rahmen der Unternehmensnachfolge führt der Erbfall häufig zu unüberwindbaren Liquiditätsproblemen bei dem Unternehmenserben. In aller Regel ist nur einer der Abkömmlinge zum Erben eingesetzt. Dieser letztwillig berufene Abkömmling ist dann erheblichen Pflichtteilsansprüchen seiner Geschwister (möglicherweise sogar auch des längerlebenden Partners des vorverstorbenen Elternteils) ausgesetzt. Hat der Erblasser-Unternehmer nicht durch eine rechtzeitige lebzeitige Verfügung vorgesorgt oder durch entsprechende Strukturierung des Nachlasses dafür gesorgt, dass der Erbe in die Lage versetzt wird, ohne Liquiditätsprobleme die Pflichtteilsansprüche zu befriedigen, kommt es zu einer für das Unternehmen häufig lebensbedrohenden wirtschaftlichen Notlage.
Rz. 71
Aber selbst wenn ein Unternehmer sich darum bemüht, die so genannten weichenden Geschwister gleich zu behandeln, ist das häufig genug kaum zu konstruieren. Ist es erst einmal zum Erbfall gekommen, ist selten eine übereinstimmende Angabe des Firmenwertes zu erlangen, so dass die ersten Beträge dafür verwandt werden müssen, teure Sachverständigengutachten zur Ermittlung des Firmenwertes einzuholen. Häufig kommt es darüber hinaus zu Streitigkeiten im Zusammenhang mit Anrechnungen von Vorempfängen gemäß § 2050 BGB. Insofern ist es sicher richtig, die Einholung von Pflichtteilsverzichten der weichenden Nachfolger als Königsweg zur Erbstreitverhinderung zu klassifizieren. Der so einzuholende Pflichtteilsverzicht kann sich auf das vorhandene/zu übertragende Betriebsvermögen beschränken, so dass dem Verzichtenden seine Pflichtteilsrechte am restlichen Nachlass selbstverständlich verbleiben. Bei Unternehmern ist der "restliche Nachlass" häufig auch gar nicht so uninteressant.
Rz. 72
Dreh- und Angelpunkt des Pflichtteilsverzichts ist im Rahmen der Unternehmensnachfolge die ausreichende und zutreffende Definition des Betriebsvermögens. Wenn schon allgemein heute vertreten wird, die Grundlage für die Abgabe eines Pflichtteilsverzichts gehöre in den Vertrag, um spätere Streitigkeiten zu vermeiden, so gilt das insbesondere für einen Pflichtteilsverzicht im Zusammenhang mit Betriebsvermögen. Die gegenständliche Beschränkung muss klar erfasst werden.
Rz. 73
Insbesondere folgende Fragen sind im Einzelfall zu klären und mit den Beteiligten zu erörtern:
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Gehören zum Betriebsvermögen auch die Gegenstände des notwendigen, gewillkürten oder Sonderbetriebsvermögens? Gehören dazu auch die aufgrund gewerblicher Tätigkeit gehaltenen Gesellschaftsanteile sowie gepachtete Unternehmen? |
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Soll das Vermögen mit einbezogen werden, das dem Betrieb langfristig zur Nutzung überlassen ist und wesentliche Betriebsgrundlage bildet? |
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Insbesondere: Wie sieht es mit in Privatvermögen gehaltenen Kapitalanteilen aus? |
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Zu bedenken ist auch, dass in Bezug auf den Betrieb ein Rechtsformwechsel stattfinden könnte, weitere Gesellschaften hinzutreten, einige wegfallen, Gesellschafter ausscheiden oder neue aufgenommen werden. |