Rz. 254
Die Geltendmachung des Herausgabeanspruchs kann für den Nacherben mit erheblichen prozessualen Schwierigkeiten verbunden sein, insbesondere wenn der Nacherbe nicht zugleich Erbe des Vorerben ist. Nach den allgemeinen Beweislastgrundsätzen muss der Nacherbe im Einzelnen darlegen, welche Vermögenswerte zum Nachlass gehören und im Falle eines Bestreitens deren Zugehörigkeit zur Nacherbschaft beweisen. Schwierigkeiten bereitet dabei oftmals die Abgrenzung zwischen Nacherbschaft und Eigenvermögen des Vorerben, wenn der Vorerbe bei Vermögensmassen nicht strikt getrennt hat.
Rz. 255
Folgende Überlegungen können vor einer Klageerhebung angestellt werden:
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Während der Zeit der Vorerbschaft steht dem Nacherben gegen den Vorerben nach § 2121 BGB ein Anspruch auf Erstellung eines Nachlassverzeichnisses zu (vgl. Rdn 123 ff.). Dieser sollte geltend gemacht werden, um dem Nacherben einen zuverlässigen Überblick über die Nacherbschaft zu verschaffen und eine Basis für eine Herausgabeklage nach Eintritt des Nacherbfalls zu bereiten. |
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Nach dem Eintritt des Nacherbfalls kann der Nacherbe vom Erben des Vorerben die Vorlage eines Bestandsverzeichnisses und vom Erben des nicht befreiten Vorerben darüber hinaus Rechenschaft über die Verwaltung des Nachlasses verlangen (vgl. Rdn 258 ff.). Prozessual kann dieser Anspruch in einer Stufenklage mit dem Herausgabeanspruch verbunden werden. |
Oftmals dürfte die Geltendmachung des Auskunfts- und Rechenschaftsanspruchs aber ins Leere laufen, weil die Erben des Vorerben aus tatsächlichen Gründen nicht zu einer Auskunftserteilung in der Lage sind. Allerdings dürfen es sich die Erben des Vorerben insoweit nicht zu einfach machen. Sie sind verpflichtet, sich anhand der für sie erreichbaren Erkenntnisquellen bis zur Grenze der Unzumutbarkeit eigenes Wissen zu verschaffen und solches – notfalls mit Unterstützung durch Hilfspersonen – zu vervollständigen.
Rz. 256
Bleibt die Auskunft gleichwohl unergiebig, so stellt sich die Frage, ob der Nacherbe sich auf Beweiserleichterungen berufen kann. So könnte dem Vorerben eine zumindest fahrlässige Beweisvereitelung vorzuwerfen sein, wenn dieser bei Antritt der Vorerbschaft keine Aufstellung des ererbten Vermögens angefertigt und in der Folgezeit Eigenvermögen und Vorerbschaft nicht getrennt verwaltet hat. Denn durch die Vermischung der Vermögensmassen hat es der Vorerbe dem Nacherben unmöglich gemacht, auf der Basis einer Rechnungslegung die zum Nachlass gehörenden Gegenstände hinreichend bestimmt zu bezeichnen und herausverlangen zu können.
Allerdings werden die Erben des Vorerben insoweit einwenden, dass es der Nacherbe während der Zeit der Vorerbschaft ebenfalls schuldhaft unterlassen hat, das ihm zu Verfügung stehende rechtliche Instrumentarium zur Beweissicherung (Auskunftsanspruch aus § 2121 BGB, Wertermittlungsanspruch nach § 2122 BGB) einzusetzen.
Ursache für die Unkenntnis des Nacherben ist folglich nicht allein das Verhalten des Vorerben, sondern in gleicher Weise die Unterlassung von Sicherungsmaßnahmen durch den Nacherben während der Zeit der Vorerbschaft. Eine Beweiserleichterung zugunsten des Nacherben erscheint in dieser Fallkonstellation deshalb nicht gerechtfertigt.
Rz. 257
Hinweis
Dem Herausgabeanspruch des Nacherben aus § 2130 Abs. 1 BGB kann der Vorerbe wegen eines ihm zustehenden Aufwendungsersatzes unter den Voraussetzungen des § 273 Abs. 2 BGB ein Zurückbehaltungsrecht am Nachlass entgegenhalten.