Prof. Dr. Wolfgang Burandt, Dr. Cathrin Krämer
Rz. 28
Verstirbt der Vollmachtgeber, so kann der Alleinerbe eine Vollmacht widerrufen, falls die Vollmacht nicht bereits erloschen ist und falls der Widerruf dem Vollmachtgeber möglich war.
Steht die Erbenstellung unter der Bedingung, dass ein Widerruf der Vollmacht nicht ausgeübt wird, so begibt sich der Widerrufende seiner Erbenstellung, der Widerruf ist aber wirksam.
Rz. 29
Wird der Erblasser von mehreren Personen beerbt, ist streitig, ob das Recht zum Widerruf durch lediglich einen Miterben oder nur durch die Erbengemeinschaft ausgeübt werden kann. Die herrschende Meinung geht seit einer Entscheidung des Reichsgerichts davon aus, dass jeder einzelne Miterbe die Vollmacht für seine Person widerrufen kann. Das Reichsgericht begründet seine Entscheidung damit, dass auch "[…] die Erbengesamtheit nur ein Recht auf Mitwirkung aller Teilnehmer an den im Interesse des Nachlasses erforderlichen Verwaltungsmaßnahmen hat, es aber der Entschließung jedes einzelnen Miterben überlassen bleiben muss, ob er diese Mitwirkung in Person vornehmen oder wen er als Vertreter für sich dazu bestellen will". Die Vollmacht müsste im Erbfall somit in Einzelvollmachten für die einzelnen Miterben zerfallen. Der Bevollmächtigte kann daher nur die Erben vertreten, die die Vollmacht nicht widerrufen haben. Ein Rechtsgeschäft ist unwirksam, insoweit die Zustimmung aller Miterben benötigt wird und die Zustimmung des widerrufenden Miterben nicht vorliegt. Der Widerruf stellt nach dieser Rechtsansicht auch keine Verwaltungsmaßnahme gemäß § 2038 BGB dar.
Rz. 30
Eine gegenteilige Rechtsansicht wird u.a. von Kurze vertreten, der argumentiert, dass die Erbengemeinschaft eine Vollmacht des Erblassers widerrufen muss, nicht jedoch jeder einzelne Miterbe, da durch die Vollmacht nicht jeder einzelne Miterbe direkt und einzeln verpflichtet wird, sondern der Nachlass als gesamthänderisches Sondervermögen der Erbengemeinschaft. Eine Repräsentation der einzelnen Miterben erfolgt durch die Vollmacht nicht. Ebenso argumentiert auch Madaus, der durch das Handeln des Bevollmächtigten lediglich eine Verpflichtung und Berechtigung des Nachlasses, also der Erbengemeinschaft eintreten lässt. Die Vollmacht ist in diesem Fall also gegenständlich auf Rechtsgeschäfte über den Nachlass beschränkt. Der Widerruf beendet das Recht des Bevollmächtigten, über den Nachlass zu verfügen und ist als Verwaltungsmaßnahme im Sinne von § 2038 BGB anzusehen. Woraus gefolgert werden kann, dass ein Widerruf aller Miterben notwendig ist. Ähnlich wie bei Gesellschafterbeschlüssen ist der Bevollmächtigte bei der Abstimmung nicht stimmberechtigt, insoweit er Miterbe ist.
Rz. 31
Nur ausnahmsweise kann nach dieser Ansicht ein einzelner Miterbe die Vollmacht widerrufen, und zwar dann, wenn der Widerruf eine Notgeschäftsführung nach § 2038 Abs. 1 S. 2 Hs. 2 BGB darstellen würde. Als Notverwaltungsmaßnahmen kommen nur Maßregeln im Rahmen der Ordnungsmäßigkeit in Frage. Zur Vornahme muss eine Notwendigkeit bestehen, d.h. es muss eine Maßnahme sein, die zur Erhaltung des betreffenden gemeinschaftlichen Gegenstandes vonnöten ist. Die bloße Nützlichkeit ist nicht ausreichend. Weitere Voraussetzung ist, dass dem Nachlass oder einzelnen seiner Gegenstände ein Schaden entsteht oder ernsthaft droht. Hier ist zu beachten, dass bei Vorliegen einer Vorsorgevollmacht die Missbrauchsgefahr sehr hoch ist. Der Widerruf einer Vorsorgevollmacht kann daher grundsätzlich als Notverwaltungsmaßnahme eingestuft werden.
Rz. 32
Schwierigkeiten können sich beim Nachweis der Erbenstellung dadurch ergeben, dass bspw. eine Bank im Falle eines Widerrufs der Vollmacht einen Nachweis bzgl. der Legitimation des Erben verlangen muss und die Vorlage eines Legitimationspapiers (bspw. Erbschein, Testament mit Eröffnungsprotokoll) nicht kurzfristig möglich sein wird. Der BGH hat entschieden, dass, insoweit ein Bevollmächtigter von einer postmortalen Vollmacht Gebrauch gemacht hat, die Bank die ihr erteilten Weisungen grundsätzlich unverzüglich und vorbehaltlos auszuführen hat, es sei denn, dass der Bevollmächtigte in ersichtlich verdächtiger Weise von der Vollmacht Gebrauch macht. Die Bank ist nicht berechtigt oder verpflichtet, die Zustimmung des Erben abzuwarten oder durch Zuwarten den Widerruf der postmortalen Vollmacht zu ermöglichen. Die Tatsache, dass durch die fehlende Widerrufsmöglichkeit der Erben vor Vorlage der entsprechenden Legitimationsnachweise eine Verwendung der Vollmacht zum Nachteil der Erben möglich ist, ist ein Risiko, welches der Erblasser für seine Erben geschaffen hat. Dass ein Widerruf somit häufig zu spät kommt, ist aufgrund des Zwecks der postmortalen Vollmacht zu akzeptieren. So soll die Vollmacht dem Bevollmächtigten gerade ermöglichen, unabhängig von den Erben und auch vor dem Ausfindigmachen der Erben, was erhebliche Zeit in Anspruch nehmen kann, tätig zu werden.
Rz. 33
Soll der Widerruf durch die Erben verhindert werden, so kann dies nur durch die Ges...