Dr. Jörg Kraemer, Frank-Michael Goebel
Rz. 70
Zum Zeitpunkt der Zuwiderhandlung muss das Unterlassungs- oder Duldungsgebot in jedem Fall sanktionsbewehrt begründet sein, d.h. es muss ein vollstreckbarer und vollstreckungsfähiger Titel vorliegen. Dies ist schon mit einem für vorläufig vollstreckbar erklärten Urteil ab dessen Verkündung der Fall, im Übrigen ab der Zustellung des Titels. Eine einfache Unterlassungserklärung genügt als Grundlage der Zwangsvollstreckung auch dann nicht, wenn der Schuldner sich dahingehend verpflichtet, "bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes – ersatzweise Ordnungshaft – oder einer Ordnungshaft" die sanktionsbewehrte Handlung zu unterlassen.
Rz. 71
Ist der Vollstreckungstitel nur gegen Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar, so bedarf es der vorherigen Sicherheitsleistung, um eine Zuwiderhandlung gegen das insoweit bedingte Verhaltensgebot anzunehmen. Dies gilt auch in umgekehrter Weise, wenn der Schuldner die Zwangsvollstreckung aus dem Titel durch Sicherheitsleistung abwenden durfte. Leistet der Schuldner die Sicherheit, bevor der Gläubiger seinerseits Sicherheit geleistet hat, so bleibt eine Zuwiderhandlung in diesem Zwischenzeitraum sanktionslos.
Rz. 72
Des Weiteren muss zum Zeitpunkt der Zuwiderhandlung die Androhung des Ordnungsmittels erfolgt sein. Soweit die Androhung im Urteil erfolgt ist, ist dies mit der Verkündung des Urteils der Fall. Im Übrigen ist die Wirksamkeit des Beschlusses maßgeblich, d.h. dieser muss den internen Bereich des Gerichtes verlassen haben. Dies wird jedenfalls mit der Zustellung des Anordnungsbeschlusses an den Schuldner anzunehmen sein. Der BGH hat darüber hinausgehend eine Entscheidung des OLG Hamm bestätigt, nach der die Zustellung der Androhung zwar Vollziehungs- nicht aber Wirksamkeitsvoraussetzung sei, weshalb der Schuldner auch schon zwischen Erlass und Zustellung sanktionsbewehrt gegen das Unterlassungsverbot verstoßen kann.
Rz. 73
Hinweis
Wegen dieser Voraussetzung ist es erforderlich, dass ein isolierter Antrag auf Androhung von Ordnungsmitteln unmittelbar nach der Schaffung des Vollstreckungstitels gestellt wird, wenn die Androhung in diesem nicht enthalten ist oder nicht enthalten sein konnte. Anderenfalls besteht die Gefahr, dass es zu sanktionslosen Zuwiderhandlungen kommt. Zu beachten ist, dass der Androhungsbeschluss nach § 329 Abs. 3 ZPO von Amts wegen zuzustellen ist. Der Gläubiger sollte sich zeitnah bescheinigen lassen, dass dies geschehen ist, § 169 Abs. 1 ZPO. Dies ist auch wichtig, um zu sehen, dass die Zuwiderhandlung darauf folgte.
Rz. 74
Der Festsetzungsantrag setzt voraus, dass der Gläubiger die konkrete Zuwiderhandlung des Schuldners gegen das Unterlassungs- oder Duldungsgebot bezeichnet. Die Darlegungs- und Beweislast für den objektiven Verstoß gegen die Unterlassungs- bzw. Duldungspflicht sowie für das Verschulden des Schuldners liegt bei dem Gläubiger. Die Glaubhaftmachung genügt grundsätzlich nicht. Auch wenn dem Unterlassungsgebot eine einstweilige Verfügung zugrunde liegt, für deren Erlass die Glaubhaftmachung genügte, ist im gesondert zu betrachtenden Festsetzungsverfahren die volle Beweisführung nach § 286 ZPO gefordert.
Rz. 75
Hinweis
Im Zweifelsfall ist die Frage der Zuwiderhandlung also im Wege der Beweisaufnahme zu klären. Soweit hierfür die Durchführung eines gerichtlichen Termins, etwa wegen der Vernehmung von Zeugen, notwendig wird, erhält der Rechtsanwalt hierfür die Terminsgebühr nach Nr. 3310 VV RVG, denn diese entsteht nach der Anmerkung zur Gebührennummer für jede Teilnahme an einem gerichtlichen Termin.
Rz. 76
Dem Gläubiger können allerdings hinsichtlich des Nachweises des schuldhaften Verhaltens des Schuldners, d.h. der subjektiven Seite der Zuwiderhandlungen, Beweiserleichterungen bis hin zur Anwendung des Anscheinsbeweises zukommen, wenn die hierfür maßgeblichen tatsächlichen Geschehnisse allein in der Sphäre des Schuldners liegen, d.h. diesem die tatsächliche Aufklärung ohne weiteres möglich und auch zuzumuten ist.
Rz. 77
Eine Zuwiderhandlung des Schuldners liegt nicht nur vor, wenn er unmittelbar gegen das Unterlassungs- oder Duldungsgebot verstößt, sondern auch dann, wenn er Handlungen vornimmt, die dem Unterlassungs- oder Duldungsgebot inhaltlich widersprechen und deshalb als gleichwertig angesehen werden müssen. Dies hat der BGH mit seiner so genannten Kerntheorie begründet. Der Schutzzweck eines Unterlassungstitels beschränkt sich nicht nur auf die im Urteilstenor konkret beschriebenen Verletzungsformen bzw. auf identische und diesen gleichwertige Handlungen; er erstreckt sich insbesondere im Wettbewerbsprozess auch auf alle sonstigen Handlungen, die der Verkehr als gleichwertig ansieht und die den Kern der Verletzungshandlung unberührt lassen. Der Verpflichtete soll sich nicht schon durch jede Änderung der Verletzungsform dem Verbotsurteil entziehen können; solche Änderungen, die den Kern der Verletzungsform unberührt lassen, we...