Rz. 163
Werden der Vater oder die Mutter Opfer des Schadensereignisses, so steht einem Kind (neben dem anderen Elternteil und ggf. den Geschwistern) ein selbstständiger Unterhaltsschadensersatzanspruch (als Einzelgläubiger, vgl. oben Rdn 53, 69, 132, 148) gegen den Schädiger zu. Je nachdem, ob der getötete Elternteil aufgrund der in der Familie vereinbarten und durchgeführten Rollenverteilung dem Kind Barunterhalt oder Betreuungsunterhalt (oder – etwa bei einer Doppelverdienerehe – beides) gewährt (und geschuldet) hatte, ist auch der Ersatzanspruch des Kindes auf Ausgleich des jeweils entzogenen Unterhalts gerichtet.
Rz. 164
Ist der Elternteil getötet worden, der allein oder in erster Linie für den finanziellen Unterhalt der Familie gesorgt hatte, so ist der Schadensersatz für die Hinterbliebenen auf der Grundlage des Einkommens des Getöteten nach Maßgabe der in § 16 D angestellten Überlegungen zu ermitteln und unter den Anspruchsberechtigten zu verteilen. Dabei ist zu beachten, dass zwar der einzelne Unterhaltsberechtigte nicht primär einen bestimmten Prozentsatz des Einkommens des Getöteten beanspruchen kann, sondern stets nur den Betrag, den der Getötete aus seinem Einkommen als Unterhalt an diesen Berechtigten hätte leisten müssen, dass aber das als für die Befriedigung der Unterhaltsansprüche verfügbar ermittelte Einkommen des Getöteten im Wege der Pauschalierung nach Verhältniszahlen oder Prozentsätzen unter den verschiedenen Anspruchsberechtigten verteilt werden kann. Dementsprechend wird nach dem unfallbedingten Tod des Alleinverdieners das verfügbare Einkommen in aller Regel nach Verteilungsschlüsseln auf den hinterbliebenen Ehegatten und die im Haushalt verbliebenen Kinder verteilt werden können; bei einem Kind wird sich für dieses häufig eine Quote von 15–20 % rechtfertigen, wobei aber je nach den Umständen des Einzelfalls auch höhere Quoten, etwa 22,5 % oder 23,5 %, bei höherer Kinderzahl aber auch geringere Quoten angemessen sein können (vgl. dazu oben Rdn 92 ff.). Tabellen, die wie die "Düsseldorfer Tabelle" auf die besonderen Verhältnisse getrennt lebender Ehegatten und Familienteile (mit zwangsläufig höheren Kosten der Haushaltsführung) abgestellt sind, können hier, wo es um die Ermittlung des Unterhalts einer bis zum Schadensereignis intakten Familie geht, grundsätzlich nicht herangezogen werden.
Rz. 165
Bei der schematischen Ermittlung des Unterhaltsschadens des Kindes anhand von Quoten des verfügbaren Einkommens des Getöteten darf nicht übersehen werden, dass maßgeblich stets nur sein kann, was der Getötete diesem Kind in seinen konkreten Verhältnissen rechtlich an Unterhaltsleistung geschuldet hätte; der Unterhaltsanspruch der §§ 1601 ff. BGB richtet sich am Unterhaltsbedarf des Kindes aus und findet dort auch seine Grenze. Daraus folgt zweierlei:
Rz. 166
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Zum einen kann, wenn der getötete Ehegatte mehrere Kinder hinterlassen hat, nicht ohne weiteres auf jedes dieser Kinder die gleiche Quote entfallen. Vielmehr sind deren Unterhaltsbedarf und dementsprechend auch ihr Unterhaltsanspruch insbesondere von ihrem Alter abhängig, des Weiteren aber auch von speziellen Ausbildungssituationen, eventuell gesundheitlichen Belastungen etc. Dementsprechend wird ein älteres Kind regelmäßig einen höheren Unterhaltsbedarf haben als ein Kleinkind; Unterhaltsschadensrenten für Kinder, die verschiedenen Altersstufen angehören, dürfen daher grundsätzlich nicht gleich hoch ausfallen. Von drei Altersstufen (bis zur Vollendung des sechsten Lebensjahres; vom siebten bis zu Vollendung des zwölften Lebensjahres und vom 13. Lebensjahr an) geht auch § 1612a Abs. 3 BGB im Hinblick auf die in der Regelbetragsverordnung festzusetzenden Unterhaltsleistungen aus, die dem Kind von dem Elternteil geschuldet werden, in dessen Haushalt es nicht lebt. |
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Zum anderen wächst der gesetzliche Unterhaltsanspruch eines Kindes – im Gegensatz zum Unterhaltsanspruch des Ehegatten – nicht ohne weiteres proportional mit der Erhöhung des Einkommens des barunterhaltspflichtigen Elternteils. Für die Bemessung des Unterhaltsanspruchs ist zwar gemäß § 1610 Abs. 1 BGB die Lebensstellung des Kindes maßgeblich, die sich ihrerseits wieder nach dem Lebensstandard der Eltern bemisst und daher weitgehend von den familiären Einkommensverhältnissen abhängig ist. Aber auch im Rahmen eines bei guten Einkommensverhältnissen der Eltern zuzubilligenden entsprechend gehobenen Lebensstandards des Kindes kann dessen Unterhaltsanspruch an eine "Sättigungs-" oder "Luxus"-Grenze stoßen. |
Rz. 167
Das Kind hat zwar Anspruch darauf, dass die Eltern ihm im Rahmen ihrer sozialen Lebensstellung die Allgemeinkosten der Lebenshaltung (Wohnung, Ernährung, Kleidung, Körperpflege und dergleichen), seine Schul-, Ausbildungs- und Fortbildungskosten (einschließlich evtl. Sprachkurse etc.), auch den Aufwand angemessener Freizeit- und Urlaubsgestaltung sowie ein Taschengeld zur Verfügung stellen; in diesem Rahmen können zu den bei der...