Rz. 206

Die Vorschrift erfasst die gesetzliche Pflicht des Kindes, den Eltern in deren Hauswesen und Geschäft Dienste zu leisten (§ 1619 BGB). § 1618a BGB scheidet zur Begründung einer derartigen Verpflichtung aus.[421] Ob die Mitarbeit des Kindes im Haushalt oder Erwerbsgeschäft der Eltern auf familienrechtlicher Grundlage erfolgt oder nicht, muss unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere im Hinblick auf den feststellbaren Willen der Beteiligten ermittelt werden.[422]

 

Rz. 207

Der Schädiger hat dem Dienstleistungsberechtigten für die eingehenden Dienste Ersatz zu leisten. Die familienrechtliche Pflicht des Kindes, in Haus und Geschäft Dienstleistungen zu erbringen, besteht, solange das Kind dem elterlichen Hausstand angehört und von den Eltern erzogen oder unterhalten wird. Nach älterer Rechtsprechung ist dies selbst dann nicht von vornherein ausgeschlossen, wenn ein Kind, obwohl bereits volljährig und verheiratet, noch im landwirtschaftlichen Betrieb der Eltern mitarbeitet.[423] Die Dienstleistungspflicht endet, wenn das Kind aus dem besonderen Abhängigkeitsverhältnis ausscheidet, insbesondere seine volle Arbeitskraft für eine anderweitige entgeltliche Erwerbstätigkeit einsetzt,[424] oder wenn seine Mitarbeit nach dem Willen der Beteiligten auf eine eigene Rechtsgrundlage gestellt wird, insbesondere auf eine arbeits- oder gesellschaftsvertragliche Grundlage.[425] Für eine Verpflichtung des noch im elterlichen Haushalt lebenden Kindes zu unentgeltlichen Dienstleistungen gem. § 1619 BGB ist dann kein Raum mehr, wenn das Kind seine volle Arbeitskraft für eine anderweitige entgeltliche Erwerbstätigkeit einsetzt.[426]

 

Rz. 208

War das verletzte oder getötete Kind seinen Eltern dienst- oder arbeitsvertraglich zur Leistung von Diensten verpflichtet, erleidet es einen eigenen Verdienstausfallschaden; im Falle der Tötung des Kindes kommen allenfalls Ansprüche der Eltern aus § 844 Abs. 2 BGB in Betracht.[427] Kein Anspruch aus § 845 BGB besteht z.B. auch, wenn die erwachsene Tochter zwar ihren Eltern täglich im Haushalt hilft, gelegentlich auch noch zuhause übernachtet und die Eltern ihr gelegentlich Geld zuwenden, wenn sie aber bereits ausgezogen ist und ihren Lebensunterhalt im Wesentlichen selbst bestreitet.[428] Die Ansicht des OLG Saarbrücken,[429] wonach sowohl die Eltern Ansprüche aus § 845 BGB als auch das Kind Ansprüche aus §§ 842, 843 BGB nebeneinander geltend machen können, wenn ein bereits berufstätiger, aber noch im Hausstand der Eltern lebender Sohn nach § 1619 BGB verpflichtet ist, den Eltern Mithilfe in der Nebenerwerbslandwirtschaft zu leisten, erscheint zweifelhaft. Die Vorschrift des § 845 BGB darf nicht dazu führen, dass der Schädiger wegen des von ihm zu verantwortenden wirtschaftlichen Ausfalls doppelt, nämlich mit einem Ersatzanspruch sowohl der Eltern als auch des Kindes, belastet wird. Den Eltern kann zwar nach heutiger Rechtslage ein Ersatzanspruch wegen entgangener Dienste des bloß verletzten "Hauskindes" zustehen, dieser Anspruch besteht jedoch nur, soweit ein eigener Anspruch des Kindes (§ 842 BGB) nicht erhoben wird, so dass der Ersatzanspruch der Eltern entfällt, soweit das verletzte "Hauskind" seine Arbeitskraft durch Aufnahme einer zumutbaren Erwerbstätigkeit zu verwerten vermag.[430]

[422] BGHZ 69, 380; BGH, Urt. v. 7.12.1971 – VI ZR 153/70, VersR 1972, 301, 302.
[423] BGH, Urt. v. 21.1.1958 – VI ZR 6/57, NJW 1958, 706.
[424] BGHZ 137, 1.
[428] OLG Nürnberg, Urt. v. 4.7.1990 –4 U 1553/90, VersR 1992, 188.
[430] BGHZ 69, 380.

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge