Rz. 10

In den §§ 844, 845 BGB werden Ansprüche der Hinterbliebenen aus dem Schadensereignis begründet, jedoch gegenständlich beschränkt auf spezielle Schadenspositionen, nämlich die Beerdigungskosten (§ 844 Abs. 1 BGB), den Unterhaltsschaden (§ 844 Abs. 2 BGB) und die entgangenen Dienste (§ 845 BGB). Die Ersatzansprüche aus § 844 BGB bzw. aus § 10 StVG (oder den sonstigen Spezialregelungen) stehen den Unterhaltsgeschädigten aus eigenem Recht zu. Der Anspruch auf Ersatz des Unterhaltsschadens gehört also nicht zum Nachlass des Getöteten. Der Anspruch entsteht dem Grunde nach schon mit der Körperverletzung, nicht erst mit dem Tod. Deshalb erwerben nachträglich – zwischen Unfall und Tod, z.B. durch Eheschließung oder durch Zeugung eines Kindes – hinzugekommene Unterhaltsberechtigte keinen Anspruch aus § 844 BGB, § 10 StVG.[33]

 

Rz. 11

Die Ansprüche aus §§ 844, 845 BGB sind echte Schadensersatzansprüche, deren Höhe nach Maßgabe der §§ 249 ff. BGB zu ermitteln ist. Sie stehen als eigene Ansprüche den in den §§ 844, 845 BGB genannten dritten Personen zu, aber auch nur diesen. Da es hier um Ausnahmebestimmungen geht, sind sie hinsichtlich des Kreises der berechtigten Personen und des zu ersetzenden Schadens eng auszulegen. Der hieraus herzuleitende Schadensersatzanspruch kann nicht über die ausdrücklich genannten Schadenspositionen hinaus auf andere Schäden ausgedehnt werden, die den Hinterbliebenen infolge des Todes des Verletzten erwachsen; auch kommt eine entsprechende Anwendung auf andere Dritte, die mittelbar einen Schaden erlitten haben, nicht in Betracht.[34] Das Recht auf Unterhalt muss dem unterhaltsberechtigten Angehörigen "infolge der Tötung" des Unterhaltsverpflichteten entzogen worden sein; daraus, dass ein Verletzter später aufgrund anderer Ursachen verstorben ist, kann kein Anspruch aus den §§ 844, 845 BGB hergeleitet werden.[35] Der Ersatzanspruch besteht auch nur, soweit der Getötete unterhaltspflichtig gewesen wäre. Deshalb hat ein Ehemann, dessen zweite Ehefrau getötet wird, keinen Schadensersatzanspruch hinsichtlich der entgangenen Versorgung seiner Kinder aus erster Ehe; sofern die zweite Ehefrau die Versorgung übernommen hatte, erfolgte dies nicht in Erfüllung einer gesetzlichen Unterhaltspflicht.[36]

 

Rz. 12

Voraussetzung für einen Ersatzanspruch der Unterhaltsgeschädigten aus §§ 844, 845 BGB ist, dass der Getötete den Schädiger auf Schadensersatz hätte in Anspruch nehmen können, wenn er den Unfall überlebt hätte. Hinsichtlich der grundsätzlichen Haftungsvoraussetzungen (Haftung des in Anspruch genommenen aus Betriebsgefahr oder Verschulden, Mithaftung) müssen die Unterhaltsberechtigten also ebenso vortragen und gegebenenfalls beweisen, wie es der Getötete gemusst hätte. Wenn der Getötete keinen Anspruch auf Schadensersatz gehabt hätte, dann ist auch ein Anspruch der Unterhaltsgeschädigten zu verneinen. Deshalb entfällt der Ersatzanspruch aus §§ 844, 845 BGB etwa dann, wenn der Schädiger dem Getöteten gegenüber, hätte er den Unfall überlebt, wegen eines gesetzlichen oder vertraglichen Haftungsausschlusses nicht zum Schadensersatz verpflichtet gewesen wäre, etwa wegen der Haftungsfreistellung gemäß §§ 104 ff. SGB VII oder gemäß § 46 Abs. 2 BeamtVG.[37] Ein mitwirkendes Verschulden des Getöteten müssen sich die Unterhaltsgeschädigten gemäß § 846, § 254 BGB anspruchsmindernd zurechnen lassen.[38] Hat lediglich die Betriebsgefahr des Kfz des Getöteten mitgewirkt, sind bei Ersatzansprüchen aus §§ 823, 831 BGB die §§ 846, 254 BGB analog anwendbar. Gleiches gilt, wenn es um Ansprüche des Unterhaltsgeschädigten aus §§ 7, 18 StVG in Verbindung mit § 10 StVG und um eine Abwägung nach § 17 StVG geht.[39]

 

Rz. 13

Der unmittelbar Geschädigte, der später unfallbedingt verstirbt, kann nicht vor seinem Tod über den Unterhaltsersatzanspruch verfügen. Ein vom Haftpflichtversicherer mit dem Unterhaltsverpflichteten vor seinem Tod geschlossener Abfindungsvergleich kann den Unterhaltsgeschädigten nicht entgegengehalten werden, auch wenn der Verstorbene darin auf alle weitergehenden Ansprüche verzichtet hat. Der Anspruch aus § 844 Abs. 2 BGB steht allein den Unterhaltsgeschädigten zu.[40] Wird nach einem Unfall mit einem Schwerverletzten einen Abfindungsvergleich geschlossen, muss also immer mit der Möglichkeit gerechnet werden, dass der Verletzte aufgrund der Unfallverletzungen stirbt und dass dann zusätzlich zur Abfindungssumme Ersatzansprüche aus §§ 844, 845 BGB geltend gemacht werden.

[33] OLG Hamm, Urt. v. 23.9.1996 – 6 U 70/94, r+s 1997, 65.
[34] BGHZ 7, 30, 33 ff.; BGH, Urt. v. 17.12.1985 – VI ZR 152/84, VersR 1986, 391.
[35] BGH, Urt. v. 17.12.1985 – VI ZR 152/84, VersR 1986, 391.
[36] BGH, Urt. v. 6.12.1983 – VI ZR 2/82, VersR 1984, 189: Der Mehraufwand kann jedoch im Wege der Vorteilsausgleichung auf Unterhaltsersparnis des Witwers angerechnet werden.

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