Rz. 189
Der Rentenanspruch aus § 844 Abs. 2 BGB besteht grundsätzlich während der gesamten Zeit, in welcher der Getötete für die mutmaßliche Dauer seines Lebens den Hinterbliebenen vermutlich unterhaltspflichtig gewesen wäre (vgl. Rdn 118 ff.). Ist ein minderjähriges Kind als Hinterbliebener anspruchsberechtigt, so ist jedoch zu bedenken, dass dessen Unterhaltsbedürftigkeit (und damit auch seine Unterhaltsberechtigung) mit Eintritt in das Berufsleben und Erzielung ausreichender eigener Einkünfte entfällt. Da häufig die Ausbildung mit dem 18. Lebensjahr abgeschlossen ist, wird in vielen Fällen danach keine Unterhaltsbedürftigkeit mehr bestehen. Es ist daher in der Rechtsprechung anerkannt, dass eine Verurteilung zur Zahlung von Schadensersatzrenten an Minderjährige wegen Unterhaltsschäden in der Regel auf das 18. Lebensjahr zu begrenzen ist; die darüber zeitlich hinausgehenden Ansprüche sind durch eine Feststellungklage abzusichern. Nur wenn konkrete Anhaltspunkte dafür vorhanden sind, dass und in welcher Höhe eine Unterhaltspflicht des Getöteten auch über diesen Zeitpunkt hinaus bestanden hätte, kann eine Zahlungsverurteilung bereits bis zu einem späteren Zeitpunkt erfolgen (etwa voraussichtlicher Abschluss einer schon in Angriff genommenen oder konkret beabsichtigten Ausbildung). Der Zahlungsantrag des geschädigten Kindes auf eine monatliche, zeitlich unbegrenzte Rente umfasst die Feststellung des Ersatzanspruchs und enthält damit zugleich einen Antrag auf Feststellung dieses Ersatzanspruchs für die Zeit nach Vollendung des 18. Lebensjahres des Geschädigten als wesensgleiches Weniger.
Rz. 190
Da der Umfang des zu gewährenden Unterhalts sich nach der Lebensstellung des Bedürftigen bestimmt und den gesamten Lebensbedarf, insbesondere auch die Kosten der Erziehung und der Vorbildung zu einem Beruf umfasst, ist die Unterhaltsverpflichtung des Getöteten (und entsprechend die Schadensersatzpflicht des Schädigers nach § 844 Abs. 2 BGB) entscheidend von dem für das Kind infrage kommenden Ausbildungsgang (Lehre, Studium etc.) abhängig. Im Falle eines Hochschulstudiums wird ein Unterhalts- (und damit Schadensersatz-)anspruch grundsätzlich etwa bis zum 27. Lebensjahr in Betracht kommen. Dabei ist zu bedenken, dass im Verhältnis zum Unterhaltsverpflichteten der in Ausbildung stehende Unterhaltsberechtigte gehalten ist, die Ausbildung möglichst zielstrebig zu betreiben und sie in angemessener und üblicher Frist zu beenden.
Rz. 191
Bei der Festsetzung der Unterhaltsrente bis zum 18. Lebensjahr muss der Richter auch dann, wenn die unterhaltsberechtigten Kinder sich noch im Kleinkindalter befinden, von vornherein alle für die Rentenbemessung in Zukunft maßgebenden Faktoren prognostisch im Rahmen des § 287 ZPO berücksichtigen; eine spätere Abänderungsklage nach § 323 ZPO kommt nur dort infrage, wo der Richter in den Entscheidungsgründen deutlich zum Ausdruck bringt, dass er einzelne für die Höhe der Rente erhebliche Bemessungsfaktoren wegen ihrer gänzlichen Unsicherheit nicht in die Zukunftsprognose miteinzubeziehen vermag. Soweit (regelmäßig für die Zeit nach Vollendung des 18. Lebensjahres des Anspruchsberechtigten) zunächst nur ein Feststellungsurteil infrage kommt, kann das Gericht einen weitergehenden Leistungsantrag in ein Feststellungsbegehren umdeuten, auch wenn kein entsprechender Hilfsantrag gestellt ist.