a) Zivilrecht
Rz. 234
Für Zeiträume nach Inkrafttreten des § 19 Abs. 2 Satz 2 InsO in der Fassung des MoMiG (s. § 28 Rdn 153 ff.) ist Voraussetzung für den Nichtansatz einer Verbindlichkeit im Überschuldungsstatus, dass ein Nachrang im Insolvenzverfahren vereinbart worden ist. Unklar war unter anderem, ob ein Rangrücktritt im Sinne der Regelung wie nach der Rechtslage zuvor auch eine Auszahlungssperre vor Insolvenzeröffnung voraussetzte Nach der grundlegenden Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 5.3.2015 stellt eine Rangrücktrittsvereinbarung einen Schuld- oder Schuldänderungsvertrag (keinen bedingten Forderungsverzicht) dar, nach dessen Inhalt die Forderung des Gläubigers beim Schuldner nicht mehr passiviert wird und nur im Falle eines die Verbindlichkeiten übersteigenden Aktivvermögens befriedigt werden darf. Der BGH geht in zeitlicher Hinsicht davon aus, die Schuldner-Kapitalgesellschaft müsse, um die Voraussetzungen des § 19 Abs. 2 Satz 3 InsO zu erfüllen, berechtigt sein, eine Bedienung der Darlehen schon nach Eintritt drohender Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit (der Insolvenzreife) zu verweigern. Der Rangrücktritt im Sinne des § 19 Abs. 2 Satz 3 InsO bewirkt nach dem Konzept des BGH nur eine spätere Geltendmachung in Form der Änderung der Rangfolge und dass eine Tilgung aus dem gesamten Vermögen des Schuldners zu erfolgen hat, wenn dieser ohne die Gefahr einer Insolvenz über hinreichende finanzielle Mittel zur Tilgung der Verbindlichkeit verfügt.
b) Steuerrecht
Rz. 235
Aus steuerrechtlicher Sicht ist auf Ebene der Betriebs-Kapitalgesellschaft die Frage erheblich, ob eine passivierte Verbindlichkeit durch den Rangrücktritt mangels gegenwärtiger Belastung (§ 247 Abs. 1 HGB i.V.m. § 5 Abs. 1 EStG) ertragswirksam auszubuchen ist oder ob dies nur in der Steuerbilanz zu erfolgen hat, wenn die qualifizierten Voraussetzungen gem. § 5 Abs. 2a EStG erfüllt sind. Nach dieser Regelung sind Verpflichtungen, die nur zu erfüllen sind, soweit künftig Einnahmen oder Gewinne anfallen, erst zu passivieren, wenn diese Einnahmen oder Gewinne angefallen sind. Nach dem Schrifttum fallen die vom BGH zur heutigen Rechtslage unter Geltung des § 19 Abs. 2 Satz 3 InsO beurteilten Rangrücktritte schon deshalb nicht unter § 5 Abs. 2a EStG, weil sie die Durchsetzungssperre für den Gläubiger von einem Zeitmoment (den Eintritt der Insolvenzreife) und nicht von künftigen Einnahmen/Gewinnen abhängig machen und eine Tilgung des Schuldners außerhalb dieser Beschränkungen aus dem gesamten Vermögen und damit auch aus dem nach vorrangiger Befriedigung anderer Gläubiger verbleibenden ("freien") Vermögen zu erfolgen hat. Es besteht aufgrund der zeitlichen Voraussetzung für die Verpflichtung der Schuldnergesellschaft zur Tilgung nicht wie in § 5 Abs. 2a EStG vorausgesetzt, eine Abhängigkeit zwischen der Tilgung der Verbindlichkeit und künftigen Einnahmen und Gewinnen. Der XI. Senat des BFH hat mit Urt. v. 19.8.2020 geklärt, dass für die Prüfung der Voraussetzungen in § 5 Abs. 2a EStG ausschließlich an die rechtliche Ausgestaltung des Rangrücktritts anzuknüpfen ist. Eine Rangrücktrittserklärung, die die Erfüllung der Verpflichtung nicht nur aus zukünftigen Gewinnen und Einnahmen, sondern auch aus "sonstigem freien Vermögen" vorsieht, löst selbst dann weder handels- noch steuerbilanziell ein Passivierungsverbot aus, wenn der Schuldner aufgrund einer fehlenden operativen Geschäftstätigkeit aus der Sicht des Bilanzstichtages nicht in der Lage ist, freies Vermögen zu schaffen, und eine tatsächliche Belastung des Schuldnervermögens voraussichtlich nicht eintreten wird.
Folgen bei der Betriebs-GmbH: Greift ausnahmsweise § 5 Abs. 2a EStG ein, führt die Ausbuchung der Verbindlichkeit auf Ebene der GmbH zu einem Ertrag und dieser "Wegfallgewinn" ist in Höhe des Teilwerts der Forderung durch eine (verdeckte) Einlage außerbilanziell zu neutralisieren.
Folgen beim Gesellschafter: Eine Rangrücktrittsvereinbarung, die aufgrund des § 5 Abs. 2a EStG zu einer Ausbuchung der Verbindlichkeit beim Schuldner führt, bewirkt anders als ein zivilrechtl...