aa) BFH-Urt. v. 2.9.2008 – X R 32/05
Rz. 118
Der X. Senat ordnet den Übergang des Geschäftswerts nicht als rein tatsächlichen Vorgang, sondern als einen Vorgang ein, der einer rechtlichen Bewertung zugänglich ist.
Im Urteilsfall fehlte es an einer Verpachtungsabrede. Die aufnehmende GmbH wurde nicht Eigentümerin der Wirtschaftsgüter des Einzelunternehmens, sondern übernahm die Arbeitsverhältnisse, nutzte die Wirtschaftsgüter unentgeltlich und vereinnahmte den Gewinn aus der Geschäftstätigkeit. Dies ordnete der BFH im Besprechungsfall zivilrechtlich als Leihe (§§ 598 ff. BGB) der einzelnen Wirtschaftsgüter des Einzelunternehmens durch die GmbH ein, die im Außenverhältnis ggü. den Kunden alleine auftrat. Dem Übergang des Geschäftswerts stand damit entgegen, dass die geschäftswertbildenden Faktoren nicht in die GmbH eingelegt wurden, obwohl der GmbH faktisch das Gewinnpotenzial zugewandt wurde und sie aus den zur Nutzung überlassenen Wirtschaftsgütern Umsätze generieren konnte, die bisher das Einzelunternehmen erwirtschaftet hatte.
Zur Begründung der Entscheidung führt der X. Senat aus, nicht allein die faktische Verlagerung von betrieblichen Gewinnchancen des einen Rechtsträgers auf den anderen Rechtsträger führe zum Übergang der geschäftswertbildenden Faktoren und des Geschäftswerts. Maßgebendes Kriterium sei, ob dem nutzenden Unternehmen die materiellen und immateriellen Wirtschaftsgüter sowie die sonstigen Faktoren, welche sich im Geschäftswert niederschlügen, auf einer vertraglichen Grundlage überlassen würden, die Nutzung auf Dauer angelegt sei und gegen den Rechtsträger des nutzenden Unternehmens auch kein Rechtsanspruch auf Rückgabe dieser Wirtschaftsgüter bestehe. Dementsprechend reiche die Leihe als Rechtsgrundlage nicht aus.
Dass nicht die verfestigte tatsächliche Nutzungsmöglichkeit oder der tatsächliche Verbrauch der geschäftswertbildenden Faktoren allein beim nutzenden Rechtsträger zum Übergang des Geschäftswerts führen dürfen, leitet der X. Senat aus der Rspr. zur Betriebsverpachtung her: Komme es nur auf die faktische Nutzung geschäftswertbildender Faktoren an, wäre bei einer Betriebsverpachtung im Ganzen regelmäßig bei längerer Dauer ein Geschäftswertübergang anzunehmen. Der Geschäftswert bleibe bei der Betriebsverpachtung im Ganzen nach der gefestigten Rspr. aber regelmäßig im Verpächterunternehmen.
Bedeutung hat das Urteil gerade in der Abwehrberatung, wenn seitens des Finanzamtes der Übergang des Geschäftswerts behauptet wird. Mit der Entscheidung ist die Aussage getroffen, dass der Geschäftswertübergang kein rein faktischer Vorgang der Verlagerung von Gewinnpotenzial auf einen anderen Rechtsträger ist. Es muss das wirtschaftliche Eigentum an den Wirtschaftsgütern, die geschäftswertbildende Faktoren sind, auf den übernehmenden Rechtsträger übergehen. Das Finanzamt wird zukünftig differenziert darlegen müssen, in welchen Wirtschaftsgütern sich der Geschäftswert niedergeschlagen hat, diese Wirtschaftsgüter endgültig auf das aufnehmende Unternehmen übergegangen sind und eine Rückgabe dieser Wirtschaftsgüter an das überlassende Unternehmen ausgeschlossen ist.
bb) BFH-Urt. v. 5.6.2008 – IV R 79/05
Rz. 119
Die umgekehrte Konstellation, das Leerlaufen einer vorhandenen Abrede, umschreibt das vorzitierte BFH-Urteil.
Sind die Voraussetzungen eines dauerhaften Übergangs der geschäftswertbildenden Faktoren erfüllt, so geht der Geschäftswert nach der Entscheidung des IV. Senats vom 5.6.2008 – IV R 79/05, BStBl 2009 II, S. 15 – selbst dann über, wenn bei den Rechtsträgern des abgebenden Unternehmens und des aufnehmenden Unternehmens, eine andere Vorstellung besteht oder zwischen ihnen eine vertragliche Regelung getroffen wird, dass der Geschäftswert zurückbleiben und nur pachtweise überlassen werden soll.
Hinweis
Es hilft demnach nicht, eine Pachtabrede über den Geschäftswert zu treffen, wenn tatsächlich keine geschäftswertbildenden Faktoren bei dem überlassenden Unternehmen vorhanden bleiben.