Rz. 40
In seltenen Ausnahmefällen kann die Beherrschung der Betriebsgesellschaft ohne entsprechenden Anteilsbesitz durch eine besondere Machtstellung vermittelt werden, wenn die Gesellschafter nach den (besonderen) Umständen des Einzelfalls darauf angewiesen sind, sich dem Willen eines anderen so unterzuordnen, dass sie keinen eigenen geschäftlichen Betätigungswillen entfalten können. Eine solche faktische Beherrschung liegt danach vor, wenn auf die Gesellschafter, deren Stimmen zur Erreichung der im Einzelfall erforderlichen Stimmenmehrheit fehlen, aus wirtschaftlichen oder anderen Gründen Druck dahingehend ausgeübt werden kann, dass sie sich dem Willen der beherrschenden Person oder Personengruppe unterordnen.
Die Feststellung dieser Umstände obliegt dem FG als Tatsacheninstanz. In der Abwehrberatung gilt es daher, im Verfahren vor dem FG solche Tatsachen vorzutragen und unter Beweisantritt nachzuweisen, die es ausschließen dass eine oder mehrere Person(en) das Besitz- und Betriebsunternehmen faktisch beherrschen kann/können. Gelangt das FG bei seiner Tatsachenwürdigung im Urteil jedoch zu dem Schluss, dass eine faktische Beherrschung vorlag, kann diese Feststellung den BFH im Revisionsverfahren binden (§ 118 Abs. 2 FGO). Die faktische Beherrschung wurden von der Rspr. z.B. angenommen oder verneint
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wenn ein Gesellschafter der Betriebsgesellschaft unverzichtbare Betriebsgrundlagen zur Verfügung stellt, die er dieser ohne Weiteres wieder entziehen kann; oder |
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der Alleininhaber des Besitzunternehmens auch der alleinige Geschäftsführer der Betriebs-GmbH ist und er jederzeit seinen Geschäftsanteil von 49 % auf bis zu 98 % erhöhen kann. |
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Ein jahrelanges konfliktfreies Zusammenwirken allein lässt den Schluss auf eine bestehende faktische Beherrschung aber noch nicht zu. Eine Ergänzungspflegschaft auf der Seite eines Kindes schließt die Unterordnung des Kindeswillens gegenüber einem mitbeteiligten Elternteil aus. |
Das Entstehen einer Betriebsaufspaltung kann nicht dadurch verhindert werden, dass an den Anteilen der Betriebskapitalgesellschaft ein Nießbrauch bestellt und der Nießbraucher zur Ausübung des Stimmrechts bei dieser Gesellschaft bevollmächtigt wird.
Rz. 41
Berufliche Vorbildung und Erfahrung der Geschäftsführer der Betriebsgesellschaft sowie fehlende Branchenkenntnis der Gesellschafter reichen zur Annahme einer faktischen Beherrschung für sich betrachtet nicht aus. Ebenso wenig liegt eine faktische Beherrschung vor, wenn die das Besitzunternehmen beherrschenden Ehemänner der an der Betriebsgesellschaft beteiligten Ehefrauen zugleich im Betriebsunternehmen angestellt sind und der Gesellschaftsvertrag vorsieht, dass die Gesellschaftsanteile der Ehefrauen bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses des jeweiligen Ehemannes eingezogen werden können.
Räumt der Besitzunternehmer und Mehrheitsgesellschafter der Betriebsgesellschaft dem Minderheitsgesellschafter eine unwiderrufliche Option ein, alle Geschäftsanteile an der Betriebs-GmbH erwerben zu können, so ist die Betriebsaufspaltung trotz Stimmrechtsbindung und Rückzugs des Mehrheitsgesellschafters aus der Geschäftsführung nicht beendet, sondern lediglich unterbrochen. Der Vermietungsbetrieb des Besitzunternehmers ruht, wenn der Mietvertrag zwischen dem Besitzunternehmen und der Betriebs-GmbH fortgesetzt wird, eine Aufgabeerklärung des Besitzunternehmers fehlt und ungewiss ist, ob die Option ausgeübt wird.