Rz. 7
Für die negativen steuerlichen Folgen der Betriebsaufspaltung – die Annahme einer gewerblichen Nutzungsüberlassung durch das Besitzunternehmen statt einer vermögensverwaltenden Betätigung – stützt sich die Rspr. auf § 15 EStG und § 7 Satz 1 GewStG als Rechtsgrundlagen.
Hinweis
Dies führt einkommensteuerlich zur Gefahr der Abfärbung und Infizierung ansonsten nichtgewerblicher weiterer Einkünfte auf Ebene des Besitzunternehmens nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG (bei Personengesellschaften als Besitzunternehmen), zur Verstrickung von Anteilen an einer Betriebskapitalgesellschaft (über § 17 EStG hinaus) und von Wirtschaftsgütern, die zum Betriebsvermögen des Besitzunternehmens gehören (über § 23 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 EStG hinaus). Die Gewinne des Besitzunternehmens unterliegen der Gewerbesteuerpflicht nach § 7 Satz 1 GewStG; zudem schließt die Nutzungsüberlassung auf Ebene des Besitzunternehmens die erweiterte Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG aus.
Rz. 8
Die in der Rspr. ausgeprägten tatbestandlichen Voraussetzungen der Betriebsaufspaltung beruhen verselbstständigt auf eigenen, durch das Richterrecht zu § 15 Abs. 2 EStG entwickelten Kriterien. Dies ruft die massive Kritik, die an der Existenz des "Rechtsinstituts" der Betriebsaufspaltung und der Wandelbarkeit der maßgeblichen Kriterien samt der damit einhergehenden Risiken für die Beratungspraxis hervor. Die Betriebsaufspaltung wird noch immer als nicht vom Gesetz gedeckte Rechtsfortbildung der FG und des BFH qualifiziert, obwohl sie mittlerweile in § 50i Abs. 1 Satz 4 EStG und in § 13b Abs. 4 Satz 2 Buchst. a ErbStG vom Gesetzgeber in gesetzlichen Regelungen hinsichtlich ihrer Kernelemente erwähnt worden ist.
Der Beschluss des Großen Senats vom 8.11.1971, der die Betriebsaufspaltung auf eine neue dogmatische Grundlage stellte, indem der GrS von steuerlich getrennten Unternehmen ausgeht, die durch den einheitlichen geschäftlichen Betätigungswillen verbunden sind, wird im Schrifttum als Quelle von Zweifelsfragen kritisiert. Die Kritik richtet sich darauf, dass der Große Senat die Rechtsfolgen der Betriebsaufspaltung einerseits damit erklärt, es liege eine wirtschaftliche Einheit zwischen Besitz- und Betriebsunternehmen vor (sog. Einheitstheorie), bei der Anwendung des materiellen Steuerrechts aber die Selbstständigkeit von Besitz- und Betriebsunternehmen betont (sog. Trennungstheorie). Dieser Antagonismus spielte z.B. eine Rolle bei der Rspr.-Entwicklung sog. Merkmalsübertragung von Steuerbefreiungen der Betriebs- auf die Besitzgesellschaft.
Rz. 9
Die tatbestandlichen Voraussetzungen der Betriebsaufspaltung sind weiter im Wandel und führen aufgrund ihrer Änderungsanfälligkeit zur Rechtsunsicherheit. Hierfür kann die Entscheidung des BFH vom 23.5.2000, seit der der BFH Büro- und Verwaltungsgebäude i.d.R. als wesentliche Betriebsgrundlage im Rahmen der sachlichen Verflechtung ansieht, als Beispiel dienen. Durch eine Änderung der Rspr. können bestimmte Sachverhaltskonstellationen – wie z.B. die Überlassung eines "Allerweltsgebäudes" – an das Betriebsunternehmen zur Nutzung als Betriebsaufspaltung und damit als gewerbliche Verpachtung behandelt werden, die zuvor jahrelang nicht als Betriebsaufspaltung behandelt wurde. In den letzten Jahren haben die Rspr. immer wieder die Kriterien der personellen Verflechtung beschäftigt und wurden im Bereich der mittelbaren Beherrschung ausgeweitet.
Rz. 10
Auch die konkreten Rechtsfolgen innerhalb "bekannter" Betriebsaufspaltungen sind nicht immer absehbar. Dies veranschaulicht die Änderung der Rspr. des BFH zur Merkmalsübertragung bei der Gewerbesteuer. Der BFH vertrat in ständiger Rspr., wegen der Selbstständigkeit von Besitz- und Betriebsunternehmen könnten gewerbesteuerliche Befreiungen des Betriebsunternehmens nicht beim Besitzunternehmen Anwendung finden. Der X. Senat des BFH hatte mit Beschl. v. 12.5.2004 den Großen Senat angerufen, dann aber den Vorlagebeschluss aber durch Beschl. v. 7.3.2006 aufgehoben und die Änderung der Rspr. mit Urt. v. 29.3.2006 vollzogen, da die übrigen Senate der vom X. Senat vertretenen Auffassung zustimmten, dass die Befreiungstatbestände des Betriebsunternehmens auch beim Besitzunternehmen angewandt werden könnten.
Hinweis
Die Praxis beschäftigt seitdem die Frage, ob dies eine punktuelle Änderung der Rspr. darstellt oder den Beginn einer Rechtsentwicklung markiert, die sich von der Trennungsbetrachtung (Besitz- und Betriebsunternehmen zwei eigenständige Rechtsträger) verabschiedet und wieder zum Verständnis der Betriebsaufspaltung als Einheitsunternehmen zurückkehrt.
Rz. 11
So ist es verständlich, dass trotz der seit 70 Jahren existierenden Rspr. zur Betriebsaufspaltung der Bezug zu einer Rechtsgrundlage (in § 15 Abs. 2 EStG oder in Form einer richterlichen Rechtsfortbildung) bei der "typischen Betriebsaufspaltung" stets bezweifelt worden ist. Das BVerfG ist wegen dieser Zweifel mehrfach mit der Betriebsaufspaltung befasst worden. Es hat in den bisherigen Entscheidu...