Rz. 72
Im Anschluss an das BFH-Urt. v. 28.5.2020 war streitig geworden, in welchem Umfang es neben einer strukturellen Durchsetzungsmöglichkeit auf gesellschaftsrechtlicher Grundlage noch auf eine Beherrschung der Besitz- und Betriebsgesellschaft auf Grundlage der Beteiligungsmehrheiten ankommtIn dem vom BFH entschiedenen Fall verfügten die drei Doppelgesellschafter jeweils über eine 33 % – Beteiligung in der Besitz-GbR und über 100 % in der Betriebs-GmbH. Die Beteiligungsverhältnisse ergaben noch keine personelle Verflechtung, weil in der Besitzgesellschaft das Einstimmigkeitsprinzip auch in Bezug auf die laufende Verwaltung der vermieteten Wirtschaftsgüter galt und nicht alle Gesellschafter der Besitzgesellschaft auch an der Betriebsgesellschaft beteiligt, mithin "Nur-Besitzgesellschafter" vorhanden waren. Der IV. Senat hatte mit folgender Formulierung für Irritationen in der Praxis gesorgt: "Eine personelle Verflechtung kann sich jedoch ergeben, wenn eine Person oder Personengruppe zwar nicht nach den Beteiligungsverhältnissen, aber nach ihren Befugnissen zur Geschäftsführung bei der Besitz- wie auch der Betriebsgesellschaft in Bezug auf die die sachliche Verflechtung begründenden Wirtschaftsgüter ihren Willen durchsetzen kann". Hiervon grenzte sich der X. Senat des BFH in einem Urt. v. 14.4.2021 ab. Die personelle Verflechtung verlange abgesehen vom Sonderfall der faktischen Beherrschung bei einem Besitz-Einzelunternehmer, dass dieser in der Betriebskapitalgesellschaft die Stimmenmehrheit innehabe und in der Lage sei, seinen Willen durchzusetzen. Hierfür reiche eine Beteiligung von exakt 50 % der Stimmen nicht aus. Die Beherrschung beider Unternehmen verlange mehr als eine bloße Verhinderungsmöglichkeit hinsichtlich der Veränderung des die sachliche Verflechtung ausmachenden Nutzungsverhältnisses. Die beherrschende Person bzw. Personengruppe habe für eine personelle Verflechtung, unabhängig von der Frage, ob ein Geschäft der laufenden Verwaltung vorliege, ihre Beherrschungsposition grds. aus eigener Macht zu erreichen. Der Geschäftsführerstellung und der damit verbundenen Beherrschung aller Geschäfte der laufenden Verwaltung könne nur im Fall eines gesellschaftsvertraglich festgelegten höheren Quorums (oder Einstimmigkeitsprinzips) eine zusätzliche Bedeutung zukommen. Erst dann stelle sich die Frage, ob im Einzelfall in Folge der Stimmenmehrheit auch eine tatsächliche Beherrschung gegeben sei. Das BFH-Urt. v. 28.5.2020 habe einen solchen Sonderfall des Einstimmigkeitsprinzips neben der Beteiligungsmehrheit einer beherrschenden Personengruppe betroffen. Anders hatte dies der I. BFH-Senat mit Urt. v. 29.11.2017 zu einer Bruchteilsgemeinschaft als Besitzgesellschaft entschieden und trotz eines Stimmenpatts in der Bruchteilsgemeinschaft eine personelle Verflechtung bejaht, weil der Besitzeinzelunternehmer bei einer Miteigentumsquote von 50 v.H. zwar seinen Willen in der Grundstücksgemeinschaft nicht durchsetzen, aber ein Tätigwerden des anderen Miteigentümers gegen seine Interessen verhindern könne. Der IV. Senat des BFH "antwortete" dem X. Senat im Urt. v. 20.5.2021, dass die vorhergehende Entscheidung vom 28.5.2020 nicht so zu verstehen sei, dass es für die personelle Verflechtung nicht primär auf die Durchsetzung des einheitlichen Betätigungswillens aufgrund einer Mehrheitsbeteiligung ankomme. Nach dem jetzt erreichten Stand der Rspr. ist für eine personelle Verflechtung im Fall eines Nur-Besitzgesellschafters somit zu verlangen, dass
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die beherrschende Person allein oder die beherrschende Personengruppe aufgrund der Beteiligungsverhältnisse in beiden Unternehmen über die Stimmenmehrheit verfügt und dies nicht durch eine Einstimmigkeitsabrede verhindert wird; und |
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bei nicht vollständiger Beteiligungsidentität in beiden Unternehmen (z.B. im Fall des Nur-Besitzgesellschafters mit Einstimmigkeitsabrede) die personelle Verflechtung dennoch entstehen kann, wenn neben der als solchen nicht ausreichenden Stimmenmehrheit eine strukturelle Durchsetzung des Betätigungswillens über eine nicht entziehbare Geschäftsführerstellung mit und ohne Befreiung von den Beschränkungen nach § 181 BGB oder auf anderer rechtlicher Grundlage in beiden Unternehmen möglich ist. |
Zutreffend wird im Schrifttum eine Abgrenzbarkeit der Rspr. des X. Senats und des IV. Senats (und auch des I. Senats) im Fall eines Stimmenpatts bezweifelt. Wenn ein bis zu 50 % beteiligter Gesellschafter zwar nicht über seine Beteiligungsmehrheit, aber aufgrund in der Gesellschafterversammlung beider Gesellschaften als jeweils alleiniger Geschäftsführer nicht abberufen und nicht angewiesen werden kann, sodass er als Geschäftsführer in beiden Gesellschaften das unbefristete Nutzungsverhältnis hinsichtlich dessen Beendigung und der laufenden Verwaltung beherrscht, soll dies für eine personelle Verflechtung nach dem X. Senat grds. ausreichen. Warum bei einer Personengruppe von Doppelgesellschaftern, deren Beteiligungsmehrheit aufgrund ein...