(1) Getrennte Betriebe
Rz. 181
Einkommensteuerlich und gewerbesteuerlich sind Besitz- und Betriebsunternehmen als zwei selbstständige Gewerbebetriebe anzusehen, die eigenständig bilanzieren und im Grundsatz keine korrespondierenden Wertansätze in der Handels- und Steuerbilanz haben müssen (§ 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB, § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG). Die Trennungstheorie hat durch die Rspr.-Änderung zur Merkmalsübertragung nach § 3 Nr. 20 Buchst. c) GewStG gewerbesteuerlich eine Einschränkung erfahren (vgl. oben Rdn 8). Im Falle einer Betriebsaufspaltung können sowohl das Besitzunternehmen als auch das Betriebsunternehmen Investitionsabzugsbeträge beanspruchen; dabei sind das Besitz- und das Betriebsunternehmen bei der Prüfung der Betriebsgrößenmerkmale des § 7g Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 EStG getrennt zu beurteilen (Tz. 1, 19 des BMF-Schreibens vom 15.6.2022, BStBl I 2022, 945, Tz. 15). Die gem. § 7g Abs. 4 EStG notwendige Verbleibensvoraussetzung ist bei einer wegen sachlicher und personeller Verflechtung bestehenden Betriebsaufspaltung trotz der Nutzungsüberlassung an das Betriebsunternehmen erfüllt. Das gilt jedoch nicht, wenn die personelle Verflechtung zwischen dem Besitz- und Betriebsunternehmen ausschließlich auf einer tatsächlichen Beherrschung beruht (Tz. 38 des BMF-Schreibens, a.a.O.).
(2) Bilanzierungspflicht und Einkünfteermittlung
Rz. 182
Die Bilanzierungspflicht beim Besitzunternehmen richtet sich zunächst nach der zivilrechtlichen Vorfrage, ob der als Besitzunternehmen fungierende Rechtsträger als Einzelkaufmann oder Personenhandelsgesellschaft (OHG oder KG) im Handelsregister eingetragen ist. Ist dies der Fall, so bleiben seit der Handelsrechtsreform zum 1.7.1998 nach § 105 Abs. 2 HGB auch rein vermögensverwaltende Personengesellschaften Handelsgesellschaften i.S.d. HGB, die als Kaufleute zur handelsrechtlichen Bilanzierung verpflichtet sind (§ 238 HGB). Eine handelsrechtliche Bilanzierungspflicht zieht nach § 140 AO auch eine steuerliche Bilanzierungspflicht und damit Gewinnermittlung durch Bestandsvergleich nach § 4 Abs. 1 oder § 5 Abs. 1 EStG nach sich. Nur bei Überschreiten der Grenzen kann nach § 141 AO eine Aufforderung zur Gewinnermittlung nach § 4 oder § 5 Abs. 1 EStG erfolgen.
Erfolgt keine Aufforderung, ist streitig, ob die Einkünfte des Besitzunternehmens nach § 4 Abs. 3 EStG durch Einnahme-Überschuss-Rechnung ermittelt werden dürfen. Die Finanzverwaltung verlangt auch dann die Gewinnermittlung durch Bestandsvergleich. Besitz- und Betriebsgesellschaft können voneinander abweichende Wirtschaftsjahre wählen, um Steuerstundungseffekte zu gestalten. Zu beachten ist jedoch auch bei der Ermittlung der Einkünfte nach Maßgabe der Einnahmen-Überschuss-Rechnung, dass beherrschenden Gesellschafter einer Betriebs-GmbH die Miet- und Pachtzinsen auch dann zugerechnet werden, wenn sie fällig sind, der Zahlungsanspruch unbestritten und die Betriebs-GmbH leistungsfähig ist.
(3) Korrespondierende Bilanzierung
Rz. 183
Aufgrund der Trennungstheorie sind Besitz- und Betriebsgesellschaft eigenständige Unternehmen, die wechselseitig Forderungen und Verbindlichkeiten haben können. Einen Grundsatz der korrespondierenden Bilanzierung gibt es nicht. Diese Regel erfährt wichtige Ausnahmen bei den bereits angesprochenen Substanzerhaltungsansprüchen und -rückstellungen sowie bei Warenrückgabeansprüchen und -verbindlichkeiten, die korrespondierend zu bilanzieren sind.
(4) Ansatz der Wirtschaftsgüter bei nachträglicher erkannter Betriebsaufspaltung
Rz. 184
Wird erst in einem späteren Veranlagungszeitraum erkannt, dass zu einem früheren Zeitpunkt die Voraussetzungen einer Betriebsaufspaltung eingetreten sind, ist grds. auf den Zeitpunkt des Beginns eine Anfangsbilanz aufzustellen. Sind für diesen Veranlagungszeitraum der entsprechende Einkommensteuerbescheid des Besitzeinzelunternehmers oder ein Gewinnfeststellungsbescheid bereits bestandskräftig und aufgrund der Festsetzungsverjährung nicht mehr änderbar, ist diese auf den Beginn des ersten verfahrensrechtlich offenen VZ zu erstellen. Es liegt eine Betriebseröffnung vor. Die nachträgliche Aufnahme solcher Wirtschaftsgüter in die (Anfangs-)Bilanz ist – mangels tatsächlicher Zuführung zum Betriebsvermögen – keine Einlage i.S.d. § 4 Abs. 1 Sätze 1 und 5 i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 5 EStG, sondern eine berichtigende (technische) Einbuchung. Demgemäß bestimmt sich der Bilanzansatz für eine fehlerberichtigende Einbuchung bei unterlassener Aktivierung eines Wirtschaftsguts nach dem Wert, mit dem das bisher zu Unrecht nicht bilanzierte Wirtschaftsgut bei von Anfang an richtiger Bilanzierung zu Buche stehen würde d.h. es findet eine lückenlose Erfassung aller stillen Reserven statt. Soll in diesem Fall die Gewinnermittlung nach § 4 ...