Rz. 88
Nach dieser Vorschrift ist derjenige zum Schadensersatz verpflichtet, der gegen ein Gesetz verstößt, das den Schutz eines anderen bezweckt (Satz 1). Ist ein Verstoß gegen dieses Gesetz nach dessen Inhalt auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Fall des Verschuldens ein (Satz 2).
Auf die Ausführungen zu § 823 Abs. 1 BGB wird verwiesen (vgl. Rdn 6 ff.).
Durch § 823 Abs. 2 BGB wird der Schutz der Rechtsgüter vorverlegt in den Bereich ihrer Gefährdung und ausgedehnt auf das Vermögen.
I. Schutzgesetz
Rz. 89
Gesetz i.S.d. Bestimmung kann jede Rechtsvorschrift sein, also nicht nur ein Gesetz im staatsrechtlichen Sinne, sondern auch eine Rechtsverordnung oder ein Verwaltungsakt i.V.m. der zugrunde liegenden Ermächtigungsnorm.
Schutzwirkung kommt einer Rechtsvorschrift zu, wenn sie, sei es auch nur neben dem Schutz der Allgemeinheit, dazu dient, den Einzelnen oder bestimmte Personenkreise gegen die Verletzung eines Rechtsguts zu schützen. Es genügt, dass die Rechtsvorschrift auch das Interesse des Einzelnen schützen soll, mag sie auch in erster Linie das Interesse der Allgemeinheit im Auge haben. Nicht ausreichend ist aber, dass der Individualschutz durch Befolgung der Rechtsvorschrift nur als ihr Reflex objektiv erreicht wird; er muss vielmehr im Aufgabenbereich der Rechtsvorschrift liegen. Außerdem muss die Schaffung eines individuellen Schadensersatzanspruchs sinnvoll und im Licht des haftungsrechtlichen Gesamtsystems tragbar erscheinen. Danach ist unter umfassender Würdigung des gesamten Regelungszusammenhangs zu prüfen, ob es in der Tendenz des Gesetzgebers liegen konnte, an die Verletzung des geschützten Interesses die deliktische Einstandspflicht des dagegen Verstoßenden mit allen damit zugunsten des Geschädigten gegebenen Haftungs- und Beweiserleichterungen zu knüpfen. Der die Schädigung eines Rechtsguts verursachende Verstoß muss sich mithin gegen ein nicht lediglich eine Sonderbeziehung ausgestaltendes (sonst gelten grds. §§ 280 ff. BGB) Gesetz richten.
Rz. 90
Für den Rechtsanwalt, Steuerberater und Wirtschaftsprüfer hat die Frage, ob die folgenden Vorschriften Schutzgesetze i.S.d. § 823 Abs. 2 BGB sind, in der Praxis besondere Bedeutung.
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Diese Vorschrift schützt – neben § 823 Abs. 1 BGB – i.V.m. §§ 185 ff. StGB das allgemeine Persönlichkeitsrecht einschließlich der persönlichen Ehre (vgl. Rdn 7 ff.). |
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Im Schrifttum wird überwiegend angenommen, dass § 138 Abs. 1 ZPO über die Wahrheitspflicht im Zivilprozess ein Schutzgesetz i.S.d. § 823 Abs. 2 BGB sei, weil diese Vorschrift nicht nur die Rechtsgemeinschaft, sondern auch den Prozessgegner vor unredlicher Prozessführung schützen solle. |
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Ein Rechtsberater kann aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 15a Abs. 1 InsO wegen Beteiligung (§ 830 BGB) an einer Insolvenzverschleppung haften. |
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§ 5 StBerG betreffend das Verbot der unbefugten Hilfeleistung in Steuersachen ist ein Schutzgesetz i.S.d. § 823 BGB. Die Norm bezweckt indes nicht den Schutz einer Steuerberatungsgesellschaft, deren Vertreter sich bewusst sind oder zumindest sein müssen, dass der von ihnen beauftragte Berater nicht zu der angeblich vereinbarten steuerlichen Hilfeleistung befugt ist. Zur Haftung für fehlerhafte Ad-hoc-Mitteilungen (vgl. Rdn 114, 124) hat der BGH entschieden, dass zwar § 400 Abs. 1 Nr. 1 AktG a.F., nicht aber § 15 WpHG a.F., § 88 BörsG a.F. Schutzgesetze i.S.d. § 823 Abs. 2 BGB sind; insoweit liegen auch regelmäßig die Voraussetzungen der §§ 263, 264a StGB als Schutzgesetze nicht vor, sodass grds. nur eine Haftung aus § 826 BGB in Betracht kommt (vgl. Rdn 114). Den Identifizierungs- und Anzeigepflichten des Geldwäschegesetzes (§§ 2, 8, 11 GwG) kommt keine Schutzwirkung i.S.d. § 823 Abs. 2 BGB zu. |
Rz. 91
Bei der Haftung eines Wirtschaftsprüfers ist zu beachten, dass folgende Bestimmungen keine Schutzgesetze i.S.d. § 823 Abs. 2 BGB sind:
Rz. 92
Nach § 823 Abs. 2 BGB kann dem Geschädigten derjenige haften, der an einer – vollendeten oder versuchten – Straftat mitwirkt (§§ 25 bis 27 StGB).
Bei der Durchsetzung einer Forderung kann es zu einer Nötigung (§ 240 StGB) oder Erpressung (§ 253 StGB) kommen. Der in einem anwaltlichen Mahnschreiben enthaltene Hinweis, bei Nichtzahlung geltend gemachter Gebühren und Auslagen behalte sich der Mandant, ein Gewinnspieleintragungsdienst, die Erstattung einer Strafanzeige vor, kann als Nötigung zu werten sein.
In diesem Zusammenhang kann die Androhung der Bloßstellung in der Boulevard-Presse durch einen Rechtsanwalt einem "empfindlichem Übel" nach § 240 Abs. 1 StGB gleichkommen und verwerflich i.S.v. § 240 Abs. 2 StGB sein. Der Rechtsanwalt, der Mandantengelder oder andere fremde Sachen