Rz. 67
Der Inhaber eines nach §§ 823 ff. BGB geschützten Rechtsguts kann analog §§ 12 Satz 1, 862 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2, 1004 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 BGB die Beseitigung einer gegenwärtigen, rechtswidrigen Beeinträchtigung des Rechtsguts für die Zukunft von dem Störer verlangen; auf dessen Verschulden kommt es dafür nicht an. Ein wichtiger Anwendungsfall ist der Anspruch auf Widerruf unwahrer Behauptungen. Als Störer i.S.v. § 1004 BGB ist – ohne Rücksicht darauf, ob ihn ein Verschulden trifft – jeder anzusehen, der die Störung herbeigeführt hat.
Rz. 68
Ein Anspruch auf Widerruf und/oder Unterlassung ehrenrühriger Äußerungen kann sich ergeben in entsprechender Anwendung der Vorschrift(en) des (der) § (§§ 12, 862) 1004 BGB wegen fortdauernder oder künftiger rechtswidriger Beeinträchtigung
Rz. 69
Widerrufbar ist nur eine – beweisbare – Tatsachenbehauptung, kein (subjektives) Werturteil. Aus der Sicht eines verständigen Dritten ist zu prüfen, ob die beanstandete Äußerung nach ihrem Gesamtzusammenhang als Behauptung einer Tatsache oder als Bewertung anzusehen ist. Enthält eine Aussage die Behauptung von Tatsachen und eine Meinungsäußerung, so kann diese die ganze Aussage so sehr prägen, dass es sich insgesamt um ein Werturteil handelt; deswegen dürfen tatsächliche Teile der Erklärung nicht aus dem Gesamtzusammenhang gelöst und isoliert betrachtet werden. Für die Beurteilung der Frage, ob eine Äußerung als Tatsachenbehauptung oder Meinungsäußerung bzw. Werturteil einzustufen ist, bedarf es der Ermittlung des vollständigen Aussagegehalts. Insb. ist jede beanstandete Äußerung in dem Gesamtzusammenhang zu beurteilen, in dem sie gefallen ist. Sie darf nicht aus dem sie betreffenden Kontext herausgelöst einer rein isolierten Betrachtung zugeführt werden. So dürfen aus einer komplexen Äußerung nicht Sätze oder Satzteile mit tatsächlichem Gehalt herausgegriffen und als unrichtige Tatsachenbehauptung untersagt werden, wenn die Äußerung nach ihrem – zu würdigenden – Gesamtzusammenhang in den Schutzbereich des Grundrechts auf freie Meinungsäußerung gem. Art. 5 Abs. 1 GG fallen kann und in diesem Fall eine Abwägung zwischen den verletzten Grundrechtspositionen erforderlich wird. Dabei ist zu beachten, dass sich der Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 GG auch auf die Äußerung von Tatsachen erstreckt, soweit sie Dritten zur Meinungsbildung dienen können, sowie auf Äußerungen, in denen sich Tatsachen und Meinungen vermengen und die insgesamt durch die Elemente der Stellungnahme, des Dafürhaltens oder Meinens geprägt werden.
Rz. 70
Umgekehrt können Meinungsäußerungen verdeckte Tatsachenbehauptungen sein, wenn und soweit beim Adressaten die Vorstellung tatsächlicher, in Wertungen gekleideter Vorgänge erweckt wird; entscheidend ist insoweit der Zusammenhang des Vorwurfs. Eine unwahre Tatsachenbehauptung genießt nicht den Schutz der Meinungsfreiheit i.S.d. Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG; ein bewusst unvollständiger (Presse-)Bericht kann rechtlich wie eine unwahre Tatsachenbehauptung zu behandeln sein. Ein wahrer (Presse-)Bericht kann das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen verletzen, wenn die Folgen der Darstellung für die Entfaltung der Persönlichkeit schwerwiegend sind und das Schutzbedürfnis das Interesse an der Äußerung überwiegt. Die Ankündigung eines künftigen Verhaltens stellt i.d.R. noch keine beweisbare Tatsache dar.
Rz. 71
Werturteile fallen unter das Grundrecht der freien Meinungsäußerung (Art. 5 GG); deswegen gehören zu diesem Schutzbereich auch Tatsachenbehauptungen, wenn und soweit Tatsachen zur Meinungsbildung erforderlich sind oder es um eine Äußerung geht, die durch subjektives Stellungnehmen, Dafürhalten und Meinen geprägt ist. Verlangt der Betroffene die Unterlassung von Bewertungen, weil dadurch sein durch Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG geschütztes allgemeines Persönlichkeitsrecht beeinträchtigt werde, so ist eine Abwägung dieser Grundrechtspositionen im Einzelfall erforderlich. Auch starke, überspitzte oder polemisierende Ausdrücke machen eine Äußerung noch nicht unzulässig; erst bei einer reinen Formalbeleidigung oder Schmähkritik, die in erster Linie die Person herabsetzen soll, oder bei Beeinträchtigung der Menschenwürde (Art. 1 GG) tritt die Freiheit der Meinungsäußerung i.d.R. hinter das Persönlichkeitsrecht zurück. Jedenfalls bei erheblicher Unangemessenheit kann ein negatives Werturteil ein ehrverletzender Wertungsexzess und deswegen eine Beleidigung i.S.d. § 185 StGB sein.
Als verfahrensrechtlich nicht privilegierte, unzulässige Schmähkritik, die zur Unterlassung nach § 823 Abs. 1, § 1004 Abs. 1 BGB berechtigt, wurde mit einze...