1. Grundlegendes
Rz. 37
Kryptowerte wie der Bitcoin sind digitale Repräsentationen unterschiedlichster Vermögenswerte. Um eine Transaktion über Kryptowerte durchzuführen, muss der transferierende Nutzer die Adresse eines Empfängers angeben und die zu übertragende Menge bestimmen. Die Adresse des Empfängers ist ähnlich zu einer IBAN oder Kontonummer. Sie leitet sich aus dessen öffentlichem Schlüssel, sog. public key ab. Dieser dient der Identifizierung des Nutzers. Mit seinem eigenen key, dem private key, muss der Überweisende den Transaktionswunsch signieren. Der signierte Transaktionswunsch wird an das Blockchain-Netzwerk zur Verifizierung versendet. Die übrigen Rechner des Netzwerks prüfen vor allem, ob der Absender tatsächlich über den für die Ausführung der Transaktion erforderlichen Guthabenstand verfügt. Mittels dieser Validierung wird ein dezentrales System eingeführt, dass die Gefahr von Manipulationen und Machtmissbrauch verhindern soll. Es gibt für Kryptowährungen keine staatliche Regulierung, insbesondere keine Einlagensicherung etc. Ist die Transaktion von den übrigen Netzwerken validiert, wird die Berechtigung, über den Eintrag der betroffenen Kryptowerte im Register zu verfügen, mit der öffentlichen Adresse des Empfängers verknüpft. Anschließend kann nur noch der Empfänger mit seinem private key über das Guthaben verfügen. Ein Nutzer kann beliebig viele Konten mit den entsprechenden zwei Schlüsseln einrichten. Die beiden Schlüssel werden in einem sog. Wallet erzeugt, von diesem mit der jeweiligen Blockchain verbunden und darin verwahrt. Die Abspeicherung der Schlüssel kann online erfolgen oder offline, bspw. auf einem USB-Stick oder einem schlichten Stück Papier. Alternativ gibt es sog. Schlüsselverwahrer, die die Abspeicherung des Schlüssels als Dienstleistung anbieten.
Rz. 38
Geht das Wallet mit den darin enthaltenen privaten Schlüsseln des Nutzers endgültig verloren, geht quasi die Verfügungsbefugnis über die Kryptowährung verloren. Amend-Traut vergleicht einen verlorenen private key mit einer Schatzkiste, gefüllt mit Goldmünzen, die auf dem Boden des Ozeans gesunken ist. Die Goldmünzen sind nach wie vor da, aber der Zugriff auf diese ist dem Berechtigten für immer entzogen.
2. Wettlauf um den private key
Rz. 39
Ausgehend vom private key als erbrechtlichem Trägermedium und einzigem Zugriffselement auf das Kryptoguthaben ist es naheliegend, dass mit dem Erbfall unter streitigen Miterben ein Wettlauf um diesen beginnt. Wer ihn gewinnt, kann ihn problemlos nutzen. Besteht die Gefahr, dass der besitzende Miterbe den private key widerrechtlich nutzt, gibt es aufgrund der Dezentralisierung keine Stelle wie eine Bank, die von dem potenziellen Missbrauch unterrichtet werden kann und die entsprechende Sperrung einrichten könnte. Die von ihm vorgenommenen Transaktionen sind nicht mehr änderbar. Der den private key besitzende Miterbe ist den üblichen Auskunftsansprüchen seiner Miterben ausgesetzt (vgl. § 4 Rdn 150 ff.). Einzig wenn der Erblasser seinen privaten Schlüssel durch einen professionellen Schlüsselverwahrer verwahren ließ, besteht für die Miterben die Möglichkeit, an die private keys der Erblasser zu gelangen und den Schlüsselverwahrer von der bestehenden Erbengemeinschaft zu unterrichten. Die Erben rücken nach § 1922 BGB in die Vertragsposition gegenüber dem Schlüsselverwahrer ein. Aus diesem Verwahrverhältnis besitzen die Erben nach der BGH-Rechtsprechung (vgl. Rdn 3) einen Anspruch gegenüber dem Schlüsselverwahrer auf Verschaffung des vollständigen Zugangs zum digitalen Schlüsselbund. Hat der Erbe keine Kenntnis vom Zugangspasswort, das er benötigt, um sich gegenüber dem Schlüsselverwahrer zu legitimieren, hat er einen Anspruch gegen diesen auf Auskunft des Passworts, alternativ auf Zurücksetzung von diesem. AGB der Schlüsselverwahrer, die festlegen, dass sie bei Verlust des Passworts keinen Zugriff mehr auf die privaten Schlüssel haben, sind nach § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB unwirksam. Im Falle eines Kontos des Erblassers an einer Kryptobörse gilt nichts anderes als bei einem gewöhnlichen Bankkonto. Die Erben treten in die Vertragsbeziehungen ein. Dementsprechend können sie nach ihrer Legitimation das dortige Konto sicherheitshalber sperren lassen.