Rz. 31
Die Zweckauflage ist im Grunde das offenste aller erbrechtlichen Gestaltungsmittel. Während der Erbe und seine Erbquote gemäß § 2065 Abs. 2 BGB vom Erblasser selbst bestimmt werden müssen und auch im Bereich der Vermächtnisanordnungen nur beim Zweckvermächtnis (§ 2156 BGB) und beim Bestimmungsvermächtnis Entscheidungsrechte an Dritte delegiert werden können, gilt das Drittbestimmungsverbot für die Zweckauflage praktisch gar nicht. Lediglich die Frage, ob die Auflage (also solche) überhaupt gelten soll, kann nicht auf Dritte delegiert werden. Im Übrigen kann der Erblasser aber sowohl die Person des Begünstigen wie auch den Gegenstand der Auflage von einem Dritten bestimmen lassen (§ 2192 i.V.m. § 2156 BGB zur Bestimmung des Gegenstands der Auflage und § 2193 Abs. 1 BGB zur Bestimmung des Begünstigten).
Rz. 32
Bei der Unternehmensnachfolge, für die noch kein Nachfolger aus der engeren Familie definitiv zur Verfügung steht und es völlig offen ist, ob es dafür überhaupt einen Aspiranten gibt, kann es deshalb von Nutzen sein, mit einer Auflage zu arbeiten. Sie hat im Wesentlichen den Fortbestand des Unternehmens und, im Rahmen der wirtschaftlichen Gegebenheiten, den Erhalt der Arbeitsplätze zum Inhalt. Der Vollzug der Auflage kann in die Hände eines oder mehrerer Testamentsvollstrecker gelegt werden, oder, was sich bei mittelständischen Unternehmen besonders empfiehlt, in die Hände eines Beirats. Sie können entscheiden, wie der Zweck (Unternehmensfortführung) beim Tod des Unternehmers am besten erreicht werden kann: durch Weitergabe an einen oder mehrere Nachfolger in der engeren oder weiteren Familie mit oder ohne Ausgleich zugunsten der "übergangenen" Erben oder durch Verkauf und Verteilung des dabei hoffentlich anfallenden Gewinns.
Rz. 33
Aber auch für andere Gestaltungen hat die Auflage beträchtlichen Charme. Denn bei der Erbschaftsteuer wird sie anders behandelt als ein Vermächtnis. Der Vermächtnisnehmer ist bereits steuerpflichtig, wenn er seinen Anspruch aus dem Vermächtnis erworben hat. Der Auflagenbegünstigte hingegen versteuert erst dann und nur das, was er effektiv erhalten hat (§§ 3 Abs. 2 Nr. 2, 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. d ErbStG). Bis zur Neuregelung des Erbschaftsteuerrechts durch das ErbStG 2009 bot die Auflage gestalterische Vorteile beim Berliner Testament. Dieses hat bekanntlich den Nachteil, dass die zu Schlusserben eingesetzten Kinder ihre erbschaftsteuerrechtlichen Freibeträge nach dem erstversterbenden Elternteil verlieren. Sie lassen sich selbstverständlich durch Vermächtnisse in entsprechender Höhe erhalten – vorausgesetzt, die Vermächtnisse werden nicht beim Tod des zweitversterbenden Elternteils fällig. Denn dann werden sie als Vermächtnisse behandelt, die vom zweitversterbenden Elternteil stammen (§ 6 Abs. 4 ErbStG), also praktisch wie Vorausvermächtnisse des Längstlebenden. Mit einer Auflage ließ sich hingegen die Zahlung bis zum Schlusserbfall hinausschieben. Denn sie war in § 6 Abs. 4 ErbStG nicht genannt.
Rz. 34
Durch das Erbschaftsteuergesetz 2009 wurde allerdings § 6 Abs. 4 ErbStG um beim Tod des Beschwerten fällig werdende Auflagen ergänzt; diese stehen demzufolge hinsichtlich ihrer erbschaftsteuerrechtlichen Behandlung den Nacherbschaften gleich. Dies führt dazu, dass derartige Auflagenbelastungen nicht (mehr) nach § 10 Abs. 4 Nr. 2 ErbStG als Nachlassverbindlichkeiten des längerlebenden Ehegatten (Erben) abgezogen werden können. Eine Minderung der Erbschaftsteuerlast des überlebenden Ehegatten ist also durch die Anordnung auf seinen Tod bedingter Auflagen nicht (mehr) möglich.
Rz. 35
Als Alternative kommt aber die Anordnung von Auflagen in Betracht, die zu einem vom Beschwerten selbst zu bestimmenden Zeitpunkt zu erfüllen sind. Entschließt sich der Beschwerte (z.B. der überlebende Ehegatte) noch zu seinen Lebzeiten dazu, die angeordnete Auflage zu erfüllen, führt dies dazu, dass in diesem Zeitpunkt sämtliche gewünschten erbschaftsteuerlichen Folgen eintreten (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. d ErbStG). Das heißt, der Beschwerte kann den Wert der Auflage als Nachlassverbindlichkeit erbschaftsteuermindernd berücksichtigen; beim Auflagenbegünstigten kommt es zu einem korrespondierenden steuerpflichtigen Erwerb i.S.v. § 3 Abs. 2 Nr. 2 ErbStG. Der entscheidende Nachteil dieser Gestaltung besteht allein darin, dass der Beschwerte die angeordnete Auflage tatsächlich zu seinen Lebzeiten erfüllen muss. Unterlässt er dies – aus welchen Gründen auch immer –, geht die Gestaltung (wenigstens erbschaftsteuerrechtlich) ins Leere.
Rz. 36
Eine weitere Alternative kann darin bestehen, statt einer Auflagengestaltung ein Sachvermächtnis anzuordnen. Als dessen Gegenstand kommen insbesondere ertragbringende Wirtschaftseinheiten, namentlich fremdvermietete Immobilien, in Betracht. Hier besteht die Möglichkeit, den im Rahmen des Berliner Testaments übergangenen Abkömmlingen vermächtnisweise das Eigentum an der Immobilie zuzuwenden, belastet mit einem Untervermächtnis zugunsten des überleb...