Rz. 100
Der Versorgungsausgleich fällt in seiner Komplementärfunktion zum Altersvorsorgeunterhalt in den Kernbereich der Ausgleichsmechanismen im Scheidungsfall. Hier ist darauf zu achten, dass durch vertragliche Regelungen nicht der Ausgleich ehebedingter Nachteile unterbunden wird, soweit dieser Nachteil nach den gesetzlichen Bestimmungen tatsächlich ausgeglichen würde.
Bei der Unternehmerehe muss zunächst analysiert werden, ob und gegebenenfalls welche ausgleichungspflichtigen Anrechte bestehen oder während der Ehe voraussichtlich begründet werden. Ausgleichungspflichtig sind Ansprüche aus der gesetzlichen Rentenversicherung, aus der Beamtenversorgung, aus berufsständischen Versorgungen, aus arbeitgeberfinanzierten Anwartschaften (gleich ob die Leistung in Kapital oder als Rente erfolgt) sowie Ansprüche aus privaten Rentenversicherungen (insbesondere Kapitalrentenversicherungen).
In Unternehmerehen, in denen die Altersvorsorge des Unternehmers zu einem erheblichen Teil auf der Erwartung aufbaut, aus dem Unternehmen auch im Alter Erträge zu erzielen oder durch einen Verkauf des Unternehmens die Basis für eine Altersversorgung zu erwirtschaften, führt der gesetzliche Versorgungsausgleich nicht zu angemessenen Ergebnissen, weil die "im Unternehmen steckende" Altersvorsorge nicht ausgeglichen wird.
Rz. 101
Zugunsten des Nicht-Unternehmer-Ehegatten ist daher sicher zu stellen, dass dieser nicht im Versorgungsausgleich Anwartschaften abgeben muss, ohne – über den Zugewinnausgleich – an dem (gegebenenfalls im Unternehmen gebundenen) Vermögenszuwachs zu partizipieren. Im Regelfalle wird es sich deshalb empfehlen, dass der Unternehmer-Ehegatte zugunsten des anderen Teils auf den Versorgungsausgleich verzichtet, wenn der Zugewinnausgleich zugunsten des Unternehmens modifiziert worden ist.
Formulierungsbeispiel
Der Ehemann/die Ehefrau (Unternehmer) verzichtet gegenüber dem dies annehmenden anderen Vertragsteil auf den Ausgleich von in der Ehezeit erworbenen Versorgungsanwartschaften gemäß § 2 Abs. 1 bis 3 VersAusglG. Sollte das Familiengericht im Rahmen seiner Kontrollbefugnisse gemäß § 8 VersAusglG diesen Ausschluss nicht anwenden, so soll der Ausschluss zumindest teilweise aufrecht erhalten bleiben, soweit er gerichtlich nicht beanstandet wird. Wir sind uns darin einig, dass die übrigen Vereinbarungen in diesem Vertrag im Falle einer Beanstandung des Versorgungsausgleichsausschlusses durch das Gericht Bestand haben sollen.
Rz. 102
Gegebenenfalls kann man den Ausschluss auf einzelne zu bezeichnende Anrechte beschränken oder einzelne Anrechte von dem Ausschluss ausnehmen, soweit die Eheleute der Auffassung sind, dass diese Anrechte auch der Absicherung des Unternehmers dienen sollen.
Rz. 103
Der Verzicht kann gegebenenfalls auch auf Gegenseitigkeit geschlossen werden, wenn damit ein angemessener Schutz der außerbetrieblichen Altersvorsorge des Unternehmers erreicht wird, ohne dass damit eine angemessene Versorgung des anderen Ehegatten beeinträchtigt wird. Im Regelfalle darf der Ausschluss nicht dazu führen, dass Versorgungslücken infolge von Kindererziehung entstehen.
Rz. 104
In der Komplementärfunktion zum Altersunterhalt kann es ratsam sein, Verpflichtungen zum Aufbau einer angemessenen Altersvorsorge für den anderen Ehegatten zu begründen. Zu denken ist hier an Fälle, in denen der Nicht-Unternehmer-Ehegatte keine angemessene eigene Altersvorsorge aufbaut, der Unternehmerehegatte aber auch die gesetzliche Verpflichtung, gegebenenfalls Alters- oder Krankheitsunterhalt (im Invaliditätsfalle) zahlen zu müssen, einschränken möchte. Dann kommt es in Betracht, dass der Unternehmer sich verpflichtet, eine ausreichende private Altersvorsorge des anderen Teils zu finanzieren. Hier sind vielfältige Gestaltungen denkbar, sei es der Aufbau eines Ertrag bringenden Immobilienvermögens, sei es die klassische Lebensversicherung, bei der der begünstigte Ehegatte Versicherungsnehmer und der Ausgleichspflichtige versicherte Person ist, diese wiederum gepaart mit einem Invaliditätsschutz für den Begünstigten. Der Kapitalmarkt mag über diese klassischen Formen der Vorsorge hinaus auch andere Angebote bereithalten. Hier muss dann in Verzahnung mit den Regelungen über den Nachscheidungsunterhalt geregelt werden, ob und auf welche Weise die Finanzierung der privaten Altersvorsorge über das Ende der Ehezeit hinaus fortgesetzt wird. Wichtig im Hinblick auf die gerichtliche Wirksamkeits- und Ausübungskontrolle ist dabei, dass der Vertrag auch einklagbare Verpflichtungen enthält und nicht lediglich Absichtserklärungen.