aa) Wirksamkeit einer Verfügung von Todes wegen
Rz. 53
Das Nachlassgericht hat die Echtheit der Urkunde zu ermitteln und deren Auslegung vorzunehmen. Insbesondere, wenn ein Testament nicht mehr in Urschrift vorhanden ist, stellt sich die Frage, welche Ermittlungen das Nachlassgericht anstellen muss. Der Beweis des Vorhandenseins eines Testaments und dessen Inhalt können mit allen zulässigen Beweismitteln geführt werden. Derjenige, der sich auf ein verschwundenes Testament beruft, hat dabei die Beweislast für das Vorhandensein und den gesamten Inhalt. Das Nichtmehrvorhandensein eines Testaments muss nicht bedeuten, dass dieses vom Erblasser selbst vernichtet wurde, sondern es kann eben gerade sein, dass das Testament aus sonstigen Gründen untergegangen ist. Dieses zu beweisen, obliegt dem Antragsteller.
Rz. 54
Die Auslegung einer Verfügung von Todes wegen bedarf häufig auch erheblicher Ermittlungen durch das Nachlassgericht, denn in der Praxis sind die vom Erblasser getroffenen Verfügungen sehr unpräzise und dadurch auslegungsbedürftig. Ebenso häufig ist auch die Frage der Echtheit einer letztwilligen Verfügung von Todes wegen Gegenstand der Ermittlungen des Nachlassgerichts. Dieses kann deshalb gleichfalls ein Gutachten über die Echtheit eines Testaments durch einen Schriftgutachter in Auftrag geben. Das Nachlassgericht hat dabei im Rahmen seiner Beweiswürdigung für den Fall, dass mehrere differierende Schriftgutachten vorliegen, festzustellen, auf welches Schriftgutachten es seine Entscheidung stützt. Das Nachlassgericht hat auch im Fall des Vorliegens von mehreren datumsgleichen Testamenten eine Feststellung zu treffen. Lässt sich bei datumsgleichen Testamenten nicht klären, welches von beiden später erfolgt ist, heben sie sich gegenseitig auf.
bb) Testierfähigkeit
Rz. 55
Die Testierfähigkeit kann nur dann Gegenstand der Ermittlungen des Nachlassgerichts sein, wenn sich gewisse Auffälligkeiten ergeben, die Zweifel an der Testierfähigkeit erkennen lassen. Zweifel an der Testierfähigkeit des Erblassers zum Zeitpunkt der Errichtung seiner letztwilligen Verfügung können Anlass zur Einholung des Gutachtens eines psychiatrischen oder nervenfachärztlichen Sachverständigen nur dann geben, wenn sie aus objektivierbaren Tatsachen oder Hilfstatsachen (nicht: Vermutungen und Wahrscheinlichkeitsurteilen für mögliche Krankheitsbilder ohne Anknüpfung an auffälliges symptomatisches Verhalten des Erblassers im zeitlichen Zusammenhang mit der Testamentserrichtung) herzuleiten sind. Zweifel können sich aus der Urkunde selbst ergeben, sowohl aus dem Inhalt als auch aus der Abfassung der Urkunde selbst. Daneben ist die Testierfähigkeit zu ermitteln, sofern Zweifel daran von dem Antragsteller oder Zeugen vorgetragen werden. Insbesondere gilt dies in Fällen des sog. luziden Intervalls, also des medizinischen Phänomens, dass ein Erblasser sich phasenweise in einem klaren geschäftsfähigen Zustand befindet und im darauffolgenden Moment bereits den völligen Verlust der Geschäftsfähigkeit erleidet. Zur Bejahung der Testierfähigkeit genügt es nicht, dass der Erblasser eine allgemeine Vorstellung von der Tatsache der Errichtung eines Testaments und von dem Inhalt seiner letztwilligen Anordnung hatte; er muss vielmehr auch in der Lage sein, sich über die Tragweite dieser Anordnungen und ihre Auswirkungen auf die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Betroffenen sowie über die Gründe, die für und gegen ihre sittliche Berechtigung sprechen, ein klares Urteil zu bilden und nach diesem Urteil frei von Einflüssen etwaiger interessierter Dritter zu handeln.
Rz. 56
Das Nachlassgericht hat nach § 26 FamFG den Sachverhalt ausreichend zu erforschen und eine entsprechende Beweiswürdigung vorzunehmen. Dabei kommt insbesondere eine Ermittlung der Vorgeschichte, also der Krankengeschichte des Erblassers, in Betracht. Dies führt meist dazu, dass die behandelnden Ärzte oder Betreuer für den Fall, dass der Erblasser unter amtlicher Betreuung i.S.v. § 1814 BGB stand und auch die Personen, die an der Abfassung der letztwilligen Verfügung mitgewirkt haben, z.B. ein Rechtsanwalt, Steuerberater oder Notar, zur Sache anzuhören sind. Die Schweigepflicht dieser Personen entfällt dabei nicht mit dem Tod des Erblassers. Vielmehr kann diese im Einzelfall aber gerade nicht mehr bestehen, da es wohl in aller Regel dem mutmaßlichen Willen des Verstorbenen entspräche, wenn diese Personen bzgl. der Testierfähigkeit eine Aussage tätigen. Darüber hinaus wird das Nachlassgericht notwendigerweise meist ein psychiatrisches Sachverständigengutachten einholen müssen, um sich letztlich Sicherheit über die Testierfähigkeit verschaffen zu können. Da es im Gegensatz zur partiellen Geschäftsunfähigkeit k...