Dr. iur. Klaus-Peter Horndasch
a) Typischer Sachverhalt
Rz. 509
Die Eheleute F und M leben seit drei Jahren getrennt. Sie haben zwei Kinder im Alter von jetzt 9 und 5 Jahren, die bei F leben. F hat kein Einkommen, während M im Monatsdurchschnitt 2.600 EUR netto verdient. Kurz nach der Trennung war M, der seinerzeit beim gleichen Arbeitgeber 2.000 EUR netto verdient hatte, auf der Basis der seinerzeit geltenden DT und der damaligen Kindergeldsätze verurteilt worden, für K1 232 EUR, für K2 178 EUR und für F 596 EUR zu zahlen.
F will diese Unterhaltsbeträge an die geänderten Verhältnisse (höheres Einkommen des M, höheres Alter der Kinder, geänderte DT) anpassen lassen.
b) Rechtliche Grundlagen
Rz. 510
Haben sich die einem Unterhaltstitel zugrunde liegenden – insbesondere die wirtschaftlichen – Verhältnisse erheblich geändert, so kann Abänderung verlangt werden. Mit dem gegen einen Unterhaltsbeschluss gerichteten Abänderungsantrag gemäß § 238 FamFG – bei sonstigen Titeln § 239 FamFG – werden die materiell-rechtlichen Folgen der Störung der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) geltend gemacht. Sollen die Rechtsfolgen eines punktuellen Ereignisses (z.B. Erfüllung, Verzicht, Verwirkung) festgestellt werden, ist ein Vollstreckungsgegenantrag gemäß § 767 ZPO zu stellen.
aa) Abzuändernde Titel
Rz. 511
Der Abänderungsantrag kann gestellt werden gegen eine Unterhalts-Endentscheidung (§ 238 Abs. 1 FamFG), gegen einen gerichtlich protokollierten Vergleich (§ 239 FamFG, § 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO), gegen einen Anwaltsvergleich mit Vollstreckungsunterwerfung (§ 239 FamFG, § 1044a ZPO), gegen eine vollstreckbare Unterhaltsvereinbarung (§ 239 FamFG, § 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO), gegen einen Unterhaltsbeschluss im vereinfachten Verfahren (§ 239 FamFG, § 794 Abs. 1 Nr. 2 ZPO, §§ 249 ff. FamFG) und gegen ein vollstreckbares notarielles oder gemäß § 59 Abs. 1 Nr. 3 SGB VIII vor dem Jugendamt erklärtes Anerkenntnis.
Rz. 512
Kein Abänderungsantrag ist zulässig gegen eine einstweilige Anordnung gemäß §§ 119, 49 ff. FamFG und gegen einen im einstweiligen Anordnungsverfahren geschlossenen Vergleich (es sei denn, aus dem Vergleich ergäbe sich eindeutig, dass er nicht nur als vorläufig gewollt war, sondern als Dauerregelung).
Rz. 513
War ein früherer Unterhaltsantrag wegen damals feststehender Umstände (z.B. fehlende Bedürftigkeit des Gläubigers oder mangelnde Leistungsfähigkeit des Schuldners) abgewiesen worden, so kann kein Abänderungsantrag gestellt werden, sondern nur ein erneuter Leistungsantrag. Stellt sich eine der früheren Entscheidung zugrunde liegende Prognose (insbesondere über zukünftig wegfallende Bedürftigkeit) als falsch heraus, ist ein Abänderungsantrag zu stellen.
bb) Verhältnisse i.S.d. § 238 FamFG
Rz. 514
Dies sind alle Umstände, die für die Unterhaltsbemessung maßgeblich sein können. Beispiele: Gesetzesänderung, beim Kindesunterhalt Änderung der DT, Wechsel eines Kindes in eine höhere Altersstufe der DT, Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse der Beteiligten (tatsächliches oder fiktives Einkommen und/oder Vermögen), jetzt anzusetzendes fiktives Einkommen, Versorgungsbeginn, Wegfall oder Hinzukommen von anderen Unterhaltsverpflichtungen, Änderung der Selbstbehaltsätze.
Rechtsfehler in dem abzuändernden Titel können über einen Abänderungsantrag nicht korrigiert werden; vielmehr können die geänderten tatsächlichen Verhältnisse nur auf der Basis der dem abzuändernden Titel zugrunde liegenden rechtlichen Bewertung berücksichtigt werden. Eine Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung (z.B. zur Anrechnungs- und Differenzmethode oder zur Verwerfung der Drittelmethode des BGH) berechtigt bei einem Vergleich und auch bei einer Endentscheidung zur Abänderung. Ebenso ist eine Abänderung bestehender Titel (und auch von Vereinbarungen ohne Titelcharakter) unter den Voraussetzungen des § 36 EGZPO wegen der zum 1.1....