Dr. iur. Klaus-Peter Horndasch
Rz. 562
Über den Unterhalt für die Zeit nach einer Ehescheidung können gemäß § 1585c BGB weitgehend freie Vereinbarungen – auch schon vor Eheschließung oder während intakter Ehe – getroffen werden. Anders als beim Kindesunterhalt und beim Ehegattenunterhalt für die Trennungszeit ist auch ein Verzicht möglich. Eine vor rechtskräftiger Ehescheidung getroffene Vereinbarung über den nachehelichen Ehegattenunterhalt muss gemäß § 1585c S. 2 BGB notariell beurkundet oder in einem gerichtlichen Vergleich protokolliert werden. Nach rechtskräftiger Ehescheidung ist eine solche Vereinbarung formfrei möglich.
aa) Inhaltskontrolle
Rz. 563
Beachten! Bei jeder Vereinbarung müssen zusätzlich die hierzu ergangenen Entscheidungen des BVerfG und des BGH berücksichtigt werden. Hiernach ist zu prüfen, ob eine Vertragspartei "in unangemessener Weise belastet wird" oder die Vereinbarung die Folge einer "besonderen Situation der Unterlegenheit eines Vertragsteils" ist. Das kann z.B. gegeben sein, wenn eine Frau vor Eheschließung schwanger geworden ist und der Mann die Heirat von einem vorherigen – völligen oder weitgehenden – Unterhaltsverzicht für den Fall einer Scheidung abhängig gemacht hat, insbesondere, wenn weitere die Frau erheblich beeinträchtigende Regelungen getroffen worden sind. Das BVerfG verlangt eine "Gesamtschau": Liegt eine massiv einseitige Lastenverteilung vor, kann das zur Unwirksamkeit der Vereinbarung führen; das ist der Fall, wenn "der Vertrag nicht Ausdruck und Ergebnis gleichberechtigter Lebenspartnerschaft ist, sondern eine auf ungleichen Verhandlungspositionen basierende einseitige Dominanz eines Ehepartners widerspiegelt".
Der BGH stellt im Anschluss an das BVerfG fest, es bleibe grds. bei der Dispositionsfreiheit. Jedoch dürfe der Schutzzweck gesetzlicher Regelungen nicht beliebig ausgehöhlt und eine evident einseitige Lastenverteilung geschaffen werden. Bei der Prüfung soll abgestellt werden auf die Verhältnisse beim Vertragsschluss; wenn der Vertrag vor der Ehe oder während intakter Ehe geschlossen worden ist, muss die geplante Gestaltung der Ehe mitberücksichtigt werden. Auch die Belange des begünstigten Ehegatten und sein Vertrauen auf die Vereinbarung sind zu bedenken. Je mehr der Vertrag in den Kernbereich des Scheidungsfolgenrechts eingreift, umso eher kann der Vertrag unwirksam sein.
Die Prüfung erfolgt in zwei Stufen:
(1) Wirksamkeitskontrolle
Rz. 564
Zunächst ist eine Wirksamkeitskontrolle durchzuführen: Hatte der Vertrag schon bei seinem Abschluss auf der Basis der geplanten Gestaltung der Ehe eine unzumutbar einseitige Lastenverteilung zur Folge und ergibt sich daraus, dass der benachteiligte Ehegatte wegen einer unterlegenen Verhandlungsposition seine Interessen nicht ausreichend wahrnehmen konnte (keine Verhandlungen "auf gleicher Augenhöhe", "auf ungleichen Verhandlungspositionen basierende einseitige Dominanz eines Ehegatten"), so kann daraus auf das subjektive Merkmal des § 138 BGB – verwerfliche Gesinnung des begünstigten Ehegatten – geschlossen werden. Die Feststellung der Sittenwidrigkeit führt dazu, dass an die Stelle der vertraglichen Vereinbarungen die gesetzlichen Regelungen treten.
Die Ehevertragsfreiheit hat weiterhin Bestand, wenn auch mit Einschränkungen, die sich aber ausschließlich auf den Kernbereich der Scheidungsfolgen beziehen. Die Vertragsfreiheit ist schon deshalb erforderlich, weil das Scheidungsfolgenrecht keinen zu lebenden Ehetypus vorschreibt. So wie Eheleute frei darin sind, ihre Ehe inhaltlich zu gestalten, sind sie auch frei darin, die Folgen des Scheiterns ihrer Ehe zu regeln. Die Grenze dieser Freiheit kann nur in der Verletzung des zwingenden Schutzzwecks der gesetzlichen Regelung liegen. Dieser Schutzzweck ist nach Auffassung des BGH unterlaufen, wenn eine
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evident einseitige Lastenverteilung nicht |
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durch eine individuelle Gestaltung der Ehe gerechtfertigt sein kann und |
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die Lastenverteilung für einen Ehegatten unzumutbar ist. |