Dr. iur. Klaus-Peter Horndasch
Rz. 232
Den Unterhaltsverpflichtungen gegenüber einem volljährigen Kind (§ 1609 Nr. 4 BGB) gehen vor die Unterhaltsverpflichtungen gegenüber
Ist das volljährige Kind jedoch noch nicht 21 Jahre alt und befindet es sich noch in der allgemeinen Schulausbildung (§ 1603 Abs. 2 S. 2 BGB), so steht es gemäß § 1609 Nr. 1 BGB in der Rangfolge einem minderjährigen Kind gleich: Andere Unterhaltsverpflichtungen gehen seinem Anspruch nicht vor; gegenüber sonstigen volljährigen Kindern, die nicht unter § 1603 Abs. 2 S. 2 BGB fallen, geht der Anspruch eines solchen volljährigen Kindes wie der eines minderjährigen Kindes vor.
Soweit vorrangige Barunterhaltsverpflichtungen bestehen, gehören diese zu den "Erwerbsverhältnissen" i.S.d. § 1606 Abs. 3 S. 1 BGB. Vom Einkommen jedes Elternteils sind daher zunächst seine vorrangigen Barunterhaltsverpflichtungen abzuziehen, bevor die Quote ermittelt wird, mit der er sich am Volljährigenunterhalt zu beteiligen hat.
Rz. 233
Notwendige berufsbedingte Kosten, die sich eindeutig von Kosten der privaten Lebensführung abgrenzen lassen, (z.B. für die Fahrt zur Arbeitsstelle und zurück) sind vom Einkommen abzuziehen. Leistungen zur Vermögensbildung spielen im Regelfall bei den Einkommensverhältnissen, die der DT zugrunde liegen (bis monatlich netto 5.500 EUR), keine Rolle. Kreditraten können nur vom Einkommen abgezogen werden, wenn die Kreditaufnahme notwendig war; von jedem Schuldner wird erwartet, dass er die laufenden Belastungen durch Verhandlungen mit dem Kreditgeber möglichst streckt.
Rz. 234
§ 1606 Abs. 3 S. 2 BGB, wonach der betreuende Elternteil seine Unterhaltsverpflichtung durch Pflege und Erziehung des Kindes erfüllt, gilt nur bei minderjährigen unverheirateten Kindern. Auch wenn sich in den Lebensumständen eines Kindes – außer dem Eintritt der Volljährigkeit – nichts geändert hat, hat es seinen Barunterhaltsanspruch ab Volljährigkeit gemäß § 1606 Abs. 3 S. 1 BGB anteilig gegen beide Elternteile geltend zu machen. § 1603 Abs. 2 S. 2 BGB betrifft nur die Frage der gesteigerten Unterhaltspflicht, die noch bis zum 21. Geburtstag des Kindes andauern kann, wenn es sich in der allgemeinen Schulausbildung befindet; sie führt nicht etwa dazu, dass der Elternteil, bei dem das Kind lebt, nicht barunterhaltspflichtig ist.
Die Eltern schulden den Unterhalt nicht als Gesamtschuldner, sondern als Teilschuldner. Demzufolge muss der Unterhalt in 3 Schritten berechnet werden:
(1) Das unterhaltsrelevante Einkommen jedes Elternteils ist festzustellen.
(2) Sodann wird der Unterhalt ermittelt, den das Kind von seinen Eltern insgesamt auf der Basis der addierten, unterhaltsrelevanten Einkommen beider Eltern verlangen kann.
(3) Schließlich wird dieser Gesamtunterhalt auf die Elternteile nach dem Verhältnis ihrer Einkommen verteilt. Dabei werden vom Einkommen jedes Elternteils seine vorrangigen Unterhaltsverpflichtungen und der große Selbstbehalt (zurzeit beim Erwerbstätigen 1.400 EUR) abgezogen.
In dem oben genannten Beispielsfall ist daher folgendermaßen vorzugehen: Das Gesamteinkommen von M und F beläuft sich auf 3.100 EUR. Der Gesamtunterhaltsanspruch des Kindes K1 gegen beide Eltern macht 677 EUR aus. Die auf die Elternteile entfallenden anteiligen Beträge werden folgendermaßen berechnet:
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Anteil |
Anteil |
unterhaltsrelevantes Einkommen |
1.800 |
1.300 |
abz. vorrangige Barunterhaltspflicht |
0 |
0 |
abz. großer, hier im Fall des § 1606 Abs. 2 S. 2 BGB |
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nur kleiner Selbstbehalt |
1.160 |
1.160 |
Für Quotenbildung anzusetzen |
640 |
140 |
Für die Quotenbildung haben also lediglich 640 EUR + 140 EUR = 780 EUR Bedeutung. Auf M entfallen 82,05 % hiervon und auf F 17,95 %; in diesem Verhältnis ist der Unterhalt zu leisten.
Als Unterhalt sind aufzuteilen 677 EUR abzüglich 219 EUR Kindergeld gemäß § 1612b Abs. 1 Nr. 2 BGB, also 458 EUR. Davon trägt M 82,05 %, also 376 EUR, und F trägt 17,95 %, also 82 EUR. F hat gemäß § 1612b Abs. 1 S. 2 BGB zusätzlich das auf K1 entfallende Kindergeld zu leisten.