Dr. iur. Klaus-Peter Horndasch
Rz. 27
Das erkennende Gericht hat sodann eine Kindeswohlprüfung in zwei Stufen vorzunehmen:
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Zunächst ist die Frage der Aufhebung der gemeinsamen elterlichen Sorge zu klären und sodann |
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die Übertragung der elterlichen Sorge auf den antragstellenden Ehegatten zu prüfen. |
aa) Aufhebung der gemeinsamen elterlichen Sorge
Rz. 28
Für die Beibehaltung der gemeinsamen elterlichen Sorge reicht es aus, dass die Parteien unabhängig von ggf. aktuellen trennungsbedingten Spannungen grundsätzlich willens und in der Lage sind, einvernehmliche Lösungen zu finden, und in Erziehungsfragen keine unauflösbaren Meinungsverschiedenheiten bestehen.
Hinweis
Im Streitfall ist erheblich mehr erforderlich, als allgemein auf fehlende Kooperationsfähigkeit oder -bereitschaft hinzuweisen. Es ist konkret am Einzelfall darzulegen,
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bei welchem Anlass und auf welche Weise Bemühungen um die gemeinsame Elternentscheidung stattgefunden haben; |
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dass und inwieweit Bemühungen an der Verweigerungshaltung des anderen Elternteils gescheitert sind; |
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inwieweit durch die mangelnde Einigungsfähigkeit die Entwicklung und das Wohl des Kindes beeinträchtigt sind. |
Rz. 29
Einmaliges Fehlverhalten reicht in der Regel nicht aus, um die Unfähigkeit oder fehlende Bereitschaft des anderen zur Ausübung der gemeinsamen elterlichen Sorge zu begründen.
Grundsätzlich sind Eltern verpflichtet, die Zusammenarbeit zum Wohle des Kindes zu suchen. Die Gleichgültigkeit eines Elternteils spricht allerdings gegen die Beibehaltung des gemeinsamen Sorgerechts.
Schwerwiegende Verletzungen der Unterhaltspflicht sind ein Indiz für Gleichgültigkeit eines Elternteils. Fehlende Unterhaltszahlungen stehen für sich gesehen jedoch einer gemeinsamen Sorge nicht entgegen.
Die "Eingriffsschwelle" des § 1671 Abs. 1 Nr. 2 BGB wird von den Obergerichten sehr unterschiedlich gesehen.
Spannungen zwischen den Eltern, geringe Kommunikation, Provokationen, fortwährender Streit, Straftaten, Drogenkonsum, fehlende Erziehungseignung, aber auch räumliche Entfernung können Gründe sein, die der Aufrechterhaltung der gemeinsamen elterlichen Sorge entgegenstehen.
Meinungsverschiedenheiten in einzelnen Angelegenheiten von erheblicher Bedeutung, die grundsätzlich von den Eltern gemeinsam entschieden werden müssen, führen aber nicht zwangsläufig zur Aufhebung der gemeinsamen elterlichen Sorge. Für einzelne Angelegenheiten kann ggf. eine gerichtliche Entscheidung nach § 1628 BGB beantragt werden, die ausreicht, das Kindeswohl zu wahren.
bb) Übertragung der elterlichen Sorge auf den antragstellenden Ehegatten
Rz. 30
Ist die gemeinsame elterliche Sorge nach Prüfung durch das Gericht nicht aufrechtzuerhalten, ist in zweiter Stufe zu prüfen, ob die Übertragung der Alleinsorge auf den antragstellenden Elternteil dem Kindeswohl am besten entspricht. Die folgenden Kriterien sind dabei zu prüfen, ohne dass eine Rangfolge besteht:
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Förderungsprinzip: Welcher Elternteil ist am besten zur Erziehung und Betreuung des Kindes geeignet und von wem kann es voraussichtlich die meiste Unterstützung für den Aufbau seiner Persönlichkeit erwarten? |
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Bindungen des Kindes an Eltern und Geschwister: Wesentliches Kriterium für eine Entscheidung kann sein, inwieweit die jeweiligen Bindungen zu den Elternteilen und ggf. zu den Geschwistern gewachsen und gefestigt sin... |