Rz. 8

Die Grundsätze, die der Testamentsvollstrecker im Rahmen ordnungsgemäßer Vollstreckung einzuhalten hat, werden durch objektive Maßstäbe bestimmt, nicht durch die subjektiven Fähigkeiten des Testamentsvollstreckers. Vom Testamentsvollstrecker wird in ständiger Rechtsprechung verlangt, dass er sich der Hilfeleistung durch Fachleute bedient, wenn er selbst nicht über die entsprechenden Kenntnisse und Fähigkeiten verfügt.[13] Dabei kann bereits eine vollständig fehlende Überwachung, Instruktion oder Kontrolle von durch einen Rechtsanwalt eingeschalteten Hilfspersonen eine wissentliche Pflichtverletzung darstellen.[14]

 

Praxisbeispiele: originär eigene Haftung von Testamentsvollstreckern[15]

Zum Zwecke der Erbteilung musste ein Grundstück verwertet werden. Obwohl freihändig zuvor ein höherer Preis geboten wurde, wählte der Testamentsvollstrecker (ein Notar) die freiwillige Versteigerung und erteilte den Zuschlag zu einem niedrigeren als dem freihändig gebotenen Wert. Der Testamentsvollstrecker haftet für den Differenzschaden.
Gehört ein Grundstück zum Nachlass, so treffen den Testamentsvollstrecker auch die Verkehrssicherungspflichten wie z.B. das Streuen bei Schnee- und Eisglätte. Kommt eine Person zu Schaden, weil die Verkehrssicherungspflicht nicht erfüllt wurde, haftet der Testamentsvollstrecker.[16]
Der Testamentsvollstrecker darf sich nicht nur mit einem mäßigen Erfolg seiner Tätigkeit begnügen, wenn Möglichkeiten zu einem besseren Erfolg bestehen.
Letztwillige Verfügungen hat der Testamentsvollstrecker auszulegen[17] und auf ihre Wirksamkeit hin zu überprüfen; unwirksame Vermächtnisse dürfen nicht erfüllt werden.
Sämtliche zum Nachlass gehörenden Rechte sind geltend zu machen.
Erforderliche Prozesse sind zu führen, überflüssige hingegen zu unterlassen.
Die Nichtberücksichtigung anzurechnender Vorempfänge bei der Verteilung des Nachlasses stellt eine Pflichtwidrigkeit dar.[18]
Der Testamentsvollstrecker haftet auch bei unterlassener Vermächtniskürzung nach § 2318 BGB.[19]
 

Rz. 9

Indes schuldet der Testamentsvollstrecker den Vermächtnisnehmern grundsätzlich keinen Rechtsrat. Eine Pflichtverletzung entsteht jedoch dann, wenn er diesen nicht die Informationen gibt, die zur Geltendmachung und Durchsetzung berechtigter Vermächtnisansprüche benötigt werden und für deren Realisierung der Testamentsvollstrecker zu sorgen hat.[20] Eine schuldhafte Pflichtverletzung liegt auch dann nicht vor, wenn der Testamentsvollstrecker nach sorgfältiger Ermittlung aller erkennbar erheblichen Anhaltspunkte zu einer zumindest vertretbaren Auslegung des Testaments gelangt. Ebensowenig haftet er für ein unerfüllbares Verschaffungsvermächtnis.[21] Er ist auch nicht der persönliche Steuerberater der Erben.[22]

 

Praxishinweis

Angesichts der mit dieser Pflicht verbundenen Risiken kann jedem Testamentsvollstrecker nur geraten werden, in Zweifelsfragen den Rat eines im Erbrecht und in Fragen der Testamentsvollstreckung spezialisierten Rechtsanwaltes einzuholen. In geeigneten Fällen wird es auch möglich sein, sich mit den Erben und Vermächtnisnehmern zu verständigen. Eine offene Kommunikation ist in solchen Fällen einer Entscheidung im "stillen Kämmerlein" des Testamentsvollstreckers immer vorzuziehen.[23]

[13] Grüneberg/Weidlich, § 2219 Rn 2; BGH Urt. v. 11.11.2004 – I ZR 213/01 sowie Urt. v. 11.11.2004 – I ZR 182/02 führt u.a. diese Erwägung zur Begründung der Zulässigkeit der geschäftsmäßigen Testamentvollstreckung durch jedermann an.
[14] OLG Karlsruhe, Urt. v. 14.3.2017 – 12 U 141/16.
[15] Nach Rott/Schiffer, BBEV 2007, 391, Rott/Schiffer, in: Pruns, Tagungsband zum 3. Deutschen Testamentsvollstreckertag, 2010, S. 121–134.
[16] Bengel/Reimann/Niemöller, Handbuch der Testamentsvollstreckung, § 12 Rn 80 ff.
[19] LG Freiburg, Urt. v. 12.1.2018 – 11 O 138/17.

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