Eberhard Rott, Dr. Michael Stephan Kornau
Rz. 6
Jede Haftung setzt eine objektive Pflichtverletzung voraus. Die Pflichten des Testamentsvollstreckers ergeben sich aus den §§ 2203–2209, 2215–2218 BGB sowie § 2226 S. 3 BGB i.V.m. § 671 Abs. 2, 3 BGB. Ergänzend sind die vom Erblasser getroffenen Anordnungen heranzuziehen.
Praxishinweis
Keineswegs sollte sich der Testamentsvollstrecker dazu verleiten lassen, auf den Druck der Erben hin bestimmte Handlungen vorzunehmen. Weisungen der Erben sind ohne rechtliche Bedeutung. Glaubt er, im Interesse des Nachlasses von Weisungen des Erblassers abweichen zu müssen, ist der gesetzlich vorgesehene Weg eines Antrages an das Nachlassgericht nach § 2216 BGB einzuhalten. Nur wenn sich der Testamentsvollstrecker mit der Zustimmung sämtlicher Beteiligten über Erblasseranordnungen hinwegsetzen würde, kann seine Haftung entfallen.
Rz. 7
Die Pflichtverletzung kann nicht nur in der Ausführung einer pflichtwidrigen Handlung bestehen, sondern auch in einem Unterlassen, d.h. insbesondere in einer Nichterfüllung oder nur teilweisen Erfüllung der dem Testamentsvollstrecker übertragenen Aufgaben.
Der Vermächtnisvollstrecker ist gemäß §§ 2223, 2219 BGB sowohl dem Haupt- als auch dem Untervermächtnisnehmer gegenüber persönlich für Pflichtverletzungen verantwortlich.
Es können grundsätzlich zwei Fallgruppen der Haftung des Testamentsvollstreckers unterschieden werden:
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Haftung für eigene Tätigkeit |
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Haftung für eingeschaltete Dritte. |
1. Haftung für originär eigene Tätigkeit
Rz. 8
Die Grundsätze, die der Testamentsvollstrecker im Rahmen ordnungsgemäßer Vollstreckung einzuhalten hat, werden durch objektive Maßstäbe bestimmt, nicht durch die subjektiven Fähigkeiten des Testamentsvollstreckers. Vom Testamentsvollstrecker wird in ständiger Rechtsprechung verlangt, dass er sich der Hilfeleistung durch Fachleute bedient, wenn er selbst nicht über die entsprechenden Kenntnisse und Fähigkeiten verfügt. Dabei kann bereits eine vollständig fehlende Überwachung, Instruktion oder Kontrolle von durch einen Rechtsanwalt eingeschalteten Hilfspersonen eine wissentliche Pflichtverletzung darstellen.
Praxisbeispiele: originär eigene Haftung von Testamentsvollstreckern
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Zum Zwecke der Erbteilung musste ein Grundstück verwertet werden. Obwohl freihändig zuvor ein höherer Preis geboten wurde, wählte der Testamentsvollstrecker (ein Notar) die freiwillige Versteigerung und erteilte den Zuschlag zu einem niedrigeren als dem freihändig gebotenen Wert. Der Testamentsvollstrecker haftet für den Differenzschaden. |
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Gehört ein Grundstück zum Nachlass, so treffen den Testamentsvollstrecker auch die Verkehrssicherungspflichten wie z.B. das Streuen bei Schnee- und Eisglätte. Kommt eine Person zu Schaden, weil die Verkehrssicherungspflicht nicht erfüllt wurde, haftet der Testamentsvollstrecker. |
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Der Testamentsvollstrecker darf sich nicht nur mit einem mäßigen Erfolg seiner Tätigkeit begnügen, wenn Möglichkeiten zu einem besseren Erfolg bestehen. |
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Letztwillige Verfügungen hat der Testamentsvollstrecker auszulegen und auf ihre Wirksamkeit hin zu überprüfen; unwirksame Vermächtnisse dürfen nicht erfüllt werden. |
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Sämtliche zum Nachlass gehörenden Rechte sind geltend zu machen. |
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Erforderliche Prozesse sind zu führen, überflüssige hingegen zu unterlassen. |
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Die Nichtberücksichtigung anzurechnender Vorempfänge bei der Verteilung des Nachlasses stellt eine Pflichtwidrigkeit dar. |
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Der Testamentsvollstrecker haftet auch bei unterlassener Vermächtniskürzung nach § 2318 BGB. |
Rz. 9
Indes schuldet der Testamentsvollstrecker den Vermächtnisnehmern grundsätzlich keinen Rechtsrat. Eine Pflichtverletzung entsteht jedoch dann, wenn er diesen nicht die Informationen gibt, die zur Geltendmachung und Durchsetzung berechtigter Vermächtnisansprüche benötigt werden und für deren Realisierung der Testamentsvollstrecker zu sorgen hat. Eine schuldhafte Pflichtverletzung liegt auch dann nicht vor, wenn der Testamentsvollstrecker nach sorgfältiger Ermittlung aller erkennbar erheblichen Anhaltspunkte zu einer zumindest vertretbaren Auslegung des Testaments gelangt. Ebensowenig haftet er für ein unerfüllbares Verschaffungsvermächtnis. Er ist auch nicht der persönliche Steuerberater der Erben.
Praxishinweis
Angesichts der mit dieser Pflicht verbundenen Risiken kann jedem Testamentsvollstrecker nur geraten werden, in Zweifelsfragen den Rat eines im Erbrecht und in Fragen der Testamentsvollstreckung spezialisierten Rechtsanwaltes einzuholen. In geeigneten Fällen wird es auch möglich sein, sich mit den Erben und Vermächtnisnehmern zu verständigen. Eine offene Kommunikat...