Rz. 450
Ist der überschuldete Nachlass bei Eintritt des minderjährigen Miterben in die Volljährigkeit noch ungeteilt, z.B. weil der Erbfall kurz vor der Vollendung des 18. Lebensjahres des Miterben stattfand, dann kann sich jeder Miterbe auf die Haftungsbeschränkungbis zur Teilung (§ 2059 BGB) berufen, kann also die Zwangsvollstreckung in sein nicht-ererbtes Vermögen abwehren. Diese Möglichkeit besteht zeitlich unbeschränkt, aber nur solange, wie der Nachlass im Wesentlichen noch ungeteilt ist.
Rz. 451
Daneben kann sich der volljährig gewordene Miterbe auch auf die Minderjährigenhaftungsbeschränkung nach § 1629a BGB berufen. Das ist dann unzweckmäßig, wenn er im Zeitpunkt seines Volljährigwerdens nicht-ererbtes Vermögen hat. Denn den Nachlassgläubigern steht dann das gesamte zu diesem Zeitpunkt vorhandene Vermögen, also nicht-ererbtes und der Nachlass, zur Befriedigung zur Verfügung. Nur das nach dem Eintritt in die Volljährigkeit erworbene Vermögen haftet den Nachlassgläubigern nicht, d.h. der nunmehr volljährige Miterbe kann die Vollstreckung in dieses aufgrund von § 1629a BGB abwenden (siehe Rdn 436 ff.).
Rz. 452
§ 1629a Abs. 4 BGB legt es nun dem Miterben nahe, binnen dreier Monate nach dem Eintritt der Volljährigkeit die Teilung des Nachlasses zu verlangen. Dass die Teilung auch unverzüglich und gar vollständig durchgeführt, notfalls gemäß § 2042 BGB eingeklagt wird, das verlangt das Gesetz nicht. Aber der Grundsatz bleibt: jeder Miterbe kann "jederzeit die Auseinandersetzung (des Nachlasses) verlangen" (§ 2042 BGB).
Rz. 453
Durch solches Verlangen auf Teilung gemäß § 1629a Abs. 4 BGB vor Ablauf von drei Monaten nach Eintritt in die Volljährigkeit nimmt der Miterbe dem Gläubiger die Wohltat der Vermutungen nach § 1629a Abs. 4 S. 1 BGB. Denn: Versäumt der volljährig Gewordene die Frist, so trägt er die Beweislast dafür, dass die gegen ihn gerichtete Nachlassforderung vor dem Eintritt in die Volljährigkeit entstanden ist und der Haftungsbeschränkung unterfällt. Ohne das "rechtzeitige" Verlangen auf Nachlassteilung muss der volljährig Gewordene beim Zugriff auf sein nicht-ererbtes Vermögen überdies nachweisen, dass ihm der Gegenstand, in den sich die Vollstreckung richtet, schon vor Eintritt in die Volljährigkeit gehörte (§ 1629a Abs. 4 S. 2 BGB); nur so kann er die Zwangsvollstreckung darin abwenden, also seine Minderjährigenhaftungsbeschränkung geltend machen.
Rz. 454
Unabhängig davon, ob nun der Nachlass aufgeteilt wird oder nicht, hat gemäß § 1980 BGB der Erbe die Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens zu beantragen, wenn sich die Überschuldung des Nachlasses herausstellt. Wird solches Verfahren durchgeführt, dann hat dies für den volljährig Gewordenen gegenüber der Haftungsbeschränkung nach § 1629a BGB denVorteil, dass er für die Nachlassverbindlichkeiten nicht mit seinem nicht-ererbten Vermögen haftet, unabhängig davon, wann er dieses Vermögen erworben hat.
Wenn nun der Miterbe, vertreten durch seinen gesetzlichen Vertreter, den Antrag auf ein Insolvenzverfahren unterlässt, weil er z.B. nicht als Gemeinschuldner gelten will oder weil ihm die damit verbundenen Unannehmlichkeiten zu groß erscheinen, so kann er – nach Erreichen der Volljährigkeit – sich immer noch auf die Haftungsbeschränkung nach § 1629a BGB berufen.
Rz. 455
Tritt der Minderjährige mit Schulden in die Volljährigkeit ein, die nicht Nachlassverbindlichkeiten sind und die sein Aktivvermögen einschließlich der Beteiligung am Nachlass übersteigen, dann scheidet ein Nachlassinsolvenzverfahren aus, dann kommt nur eine Haftungsbeschränkung nach § 1629a BGB in Betracht.
Rz. 456
Die Beweislast für Erblasserschulden liegt beim Gläubiger. Von daher wird sich wohl auch in aller Regel der Zeitpunkt der Entstehung der Forderung ergeben, so dass insoweit die Vermutung des § 1629a Abs. 4 BGB über den Zeitpunkt von deren Entstehung selten eingreift.
Rz. 457
Nachlasserbenschulden entstehen aus Rechtsgeschäften des endgültigen Erben, die dieser im Hinblick auf den Nachlass vorgenommen hat. Sie müssen sich vom Standpunkt eines sorgfältigen Verwalters aus betrachtet als im Rahmen ordnungsgemäßer Nachlassverwaltung entstanden darstellen. Nachlasserbenschulden sind Schulden des Erben, für die aufgrund der Billigkeit (§ 242 BGB) neben dem persönlich voll haftenden Erben auch der Nachlass haftet.
Rz. 458
Doppelter Vorbehalt: Zweckmäßigerweise wird sich der Miterbe in solchem Fall im Prozess sowohl die Möglichkeit der Beschränkung seiner Haftung auf den Nachlass gemäß § 2059 BGB als auch die Beschränkung seiner Haftung auf das bei Eintritt in die Volljährigkeit vorhandene Vermögen gemäß § 1629a BGB vorbehalten.