Dr. Stephan Pauly, Michael Pauly
Rz. 130
Ansprüche der Arbeitnehmer unterliegen nach der Insolvenzordnung grundsätzlich dem gleichen Regime, wie die Ansprüche anderer Gläubiger des insolventen Unternehmens: Ihre Ansprüche können sowohl Insolvenzforderungen als auch Masseverbindlichkeiten sein. Die frühere Privilegierung der Ansprüche auf rückständiges Arbeitsentgelt nach der KO wurde abgeschafft. Allerdings wird dies nunmehr teilweise kompensiert durch die Ansprüche auf Insolvenzgeld.
Nunmehr gilt: Forderungen auf rückständiges Arbeitsentgelt sowie auch andere Ansprüche, die in der Zeit vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden sind, sind grundsätzlich einfache Insolvenzforderungen, §§ 38, 108 Abs. 3 InsO. Sie genießen keinerlei Vorrang und müssen nach Eröffnung des Verfahrens gem. §§ 174 ff. InsO zur Insolvenztabelle angemeldet werden. Unter den Voraussetzungen des § 55 InsO können auch Masseverbindlichkeiten entstehen, etwa bei Verbindlichkeiten, die von einem vorläufigen Insolvenzverwalter mit Verfügungsbefugnis begründet worden sind. Allerdings kommt es hierzu bei Arbeitnehmeransprüchen eher selten.
Ansprüche, die in der Zeit nach Insolvenzeröffnung begründet wurden, sind grundsätzlich Masseverbindlichkeiten nach § 55 Abs. 2 Nr. 1 InsO, wenn sie sich aus dem Fortbestand des Arbeitsverhältnisses ergeben. Sie sind aus der Insolvenzmasse daher vorweg zu befriedigen, und zwar auch dann, wenn der Insolvenzverwalter die Arbeitsleistung nicht mehr entgegennimmt und die Arbeitnehmer freistellt.
Im Ergebnis ist also der Zeitpunkt der Entstehung der Ansprüche für deren Einordnung maßgeblich. Ist nicht sicher, welchem Zeitraum die Ansprüche zuzuordnen sind, etwa bei Einmalzahlungen wie Gratifikationen, sind deren Rechtsgrundlagen und Zielsetzung zu untersuchen: Stichtagszahlungen, die die Betriebstreue belohnen sollen und daher den ungekündigten Bestand des Arbeitsverhältnisses zu einem bestimmten Tag voraussetzen, sind danach zu klassifizieren, ob der Stichtag in die Zeit vor oder nach Insolvenzeröffnung fällt. Anders verhält es sich mit Zahlungen, die als Gegenleistung zur erbrachten Arbeit anzusehen sind. Diese sind in der Regel anteilig den Zeiträumen davor und danach zuzuordnen.
Allerdings kommt die Rechtsprechung bei einigen Ansprüchen auch dem Arbeitnehmer entgegen und korrigiert diese grundsätzliche Einordnung etwas: Bei Urlaubsansprüchen gilt der Grundsatz, dass diese stets Masseverbindlichkeiten darstellen, weil sie sich nicht einzelnen Zeiträumen zuordnen lassen. Dies hat dann zur Folge, dass der gesamte nicht erfüllte Urlaubsanspruch bei Kündigung des Arbeitsverhältnisses nach Insolvenzeröffnung, etwa auf der Grundlage eines Personalabbaus, als Masseverbindlichkeit entsteht. Eine problematische Rechtsprechung angesichts der weiteren Entwicklung der Rechtsprechung zur Geltendmachung von Alturlaub durch Arbeitnehmer, die nicht ordnungsgemäß vom Arbeitgeber in der Vergangenheit belehrt worden sind und daher ggf. noch Abgeltung für jahrelang zurückliegenden Urlaub verlangen können.