Dr. Stephan Pauly, Michael Pauly
Rz. 7
Im Insolvenzrecht ist zunächst zu unterscheiden zwischen dem Eröffnungsverfahren, das mit dem Eingang des Antrags auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens bei Gericht beginnt, und dem eröffneten Verfahren, das mit dem Eröffnungsbeschluss beginnt und das Eröffnungsverfahren beendet, sofern das Gericht den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht mangels Masse abweist.
1. "Eröffnungs-" oder "Antragsverfahren" (sog. "vorläufiges Insolvenzverfahren")
Rz. 8
Geht bei Gericht ein Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens ein, so beginnt das sog. "Eröffnungs-" oder "Antragsverfahren" – auch "vorläufiges Insolvenzverfahren" genannt. In dieser Phase hat das Gericht von Amts wegen zu ermitteln,
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ob der behauptete Eröffnungsgrund tatsächlich vorliegt, |
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ob ausreichendes Vermögen ("Masse") vorhanden ist, um die Kosten des Verfahrens zu decken, oder ob ein Gläubiger bereit ist, einen Massekostenvorschuss einzuzahlen, und |
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ob Fortführungsaussichten bestehen. |
Rz. 9
Dazu bestellt das Gericht in aller Regel einen erfahrenen Insolvenzverwalter zum Gutachter. Die Kosten für den Gutachter, der nach den Vorschriften des JVEG entschädigt wird, sind sog. Masseverbindlichkeiten i.S.d. §§ 53, 54 Nr. 1 InsO, die später, im eröffneten Insolvenzverfahren, vorweg berichtigt werden müssen. Der antragstellende Gläubiger kann für die Gutachterkosten jedoch als Zweitschuldner gem. §§ 23 Abs. 1, 31 GKG herangezogen werden. Wird das Insolvenzverfahren nicht eröffnet, schuldet der antragstellende Gläubiger ohnedies die gem. § 23 Abs. 1 S. 2 GKG als Auslagen zu klassifizierenden Gutachterkosten.
Rz. 10
Gleichzeitig kann das Gericht gem. § 21 InsO Sicherungsmaßnahmen zum Schutz der Masse anordnen. Darunter fällt z.B. in den ganz überwiegenden Fällen die Bestellung eines sog. "vorläufigen Insolvenzverwalters", der die Masse zu sichern hat und deshalb – je nach Aufgabenstellung im Beschluss –
a) |
nur mit Zustimmungsbefugnis bzgl. der Verfügungen des Geschäftsführers des schuldnerischen Unternehmens bzw. des Einzelunternehmers ausgestattet ist (sog. "schwacher vorläufiger Verwalter", vgl. Muster unter Rdn 145), oder |
b) |
die Verfügungsbefugnis vollständig innehat (sog. "starker vorläufiger Verwalter", vgl. Muster unter Rdn 146). |
Letzteres ist in der Praxis – entgegen der gesetzgeberischen Intention – aufgrund des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes eher selten anzutreffen. Der BGH hat deshalb auch die Mischform eines grundsätzlich schwachen vorläufigen Insolvenzverwalters anerkannt, der jedoch punktuell zur Begründung von im Voraus genau festgelegten Masseverbindlichkeiten berechtigt ist; in der Literatur ist in diesen Fällen bisweilen vom "halbstarken" vorläufigen Insolvenzverwalter die Rede.
Die Gebühren des vorläufigen Insolvenzverwalters können dem antragstellenden Gläubiger grundsätzlich nicht auferlegt werden. Die Festsetzung erfolgt gem. § 26a Abs. 2 S. 1 InsO ausschließlich gegenüber dem Schuldner, es sei denn, dass er Eröffnungsantrag unzulässig oder unbegründet ist und den antragstellenden Gläubiger ein grobes Verschulden hieran trifft. Das ist z.B. dann der Fall, wenn der Gläubiger mit seinem Antrag insolvenzwidrige oder verfahrensfremde Zwecke verfolgt, beispielsweise lediglich die schuldnerischen Vermögensverhältnisse ausforschen will.
Hat der Unternehmer dagegen einen Antrag auf Eigenverwaltung gestellt, und liegen die weiteren Voraussetzungen vor, so darf das Gericht gem. § 270b InsO bis zur Eröffnungsentscheidung keinen vorläufigen Insolvenzverwalter bestellen, sondern nur einen sog. vorläufigen "Sachwalter". Dieser hat keinerlei Rechte und Pflichten im Rahmen der Betriebsfortführung, sondern nur eine Aufsichtsfunktion im Hinblick auf den Masseerhalt. Er hat dem Gericht und dem Gläubigerausschuss gem. § 274 Abs. 3 anzuzeigen, wenn sich Umstände ergeben, die bei Fortsetzung der Eigenverwaltung Nachteile für die Gläubiger erwarten lassen. Dies ist z.B. dann der Fall, wenn der Schuldner masseschädigende Verfügungen vornimmt oder wirtschaftliche Fehlentscheidungen trifft.
Dasselbe gilt, wenn der Unternehmer neben dem Antrag auf Eigenverwaltung einen Insolvenzplan ankündigt (sog. Schutzschirmverfahren, § 270d InsO). In diesem Fall wird das Gericht ebenfalls nur einen vorläufigen Sachwalter bestellen. Es wird dem Unternehmer eine antragsgemäße Frist von längstens drei Monaten geben, um den Insolvenzplan vorzulegen, danach wird das Verfahren eröffnet. Die Vorlage des Insolvenzplans kann aber auch danach noch jederzeit erfolgen. Insofern besteht also kein wesentlicher Unterschied zum Antragsverfahren in Eigenverwaltung (§ 270a InsO), denn auch dort werden wegen des Insolvenzgeldzeitraums in der Regel drei Monate ins Land gehen, bevor das Verfahren eröffnet wird, und auch dort kann der Unternehmer jederzeit einen Insolvenzplan vorlegen. Im Kern ...