Dr. iur. Maximilian von Proff zu Irnich
Rz. 4
Beim Bürgergeld und im Sozialhilferecht sollen zum Schutz der Ehe (Art. 6 Abs. 1 GG) Besserstellungen der eheähnlichen Gemeinschaft gegenüber Ehegatten durch die folgenden Regelungen vermieden werden.
Rz. 5
Bürgergeld wird nach §§ 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 3, 9 Abs. 1 SGB II nur Hilfebedürftigen gewährt. Hilfebedürftig ist, wer seinen Lebensunterhalt nicht aus eigenen Kräften, insbesondere durch zumutbare Arbeit oder aus Einkommen oder Vermögen sichern kann. Nach § 9 Abs. 2 S. 1 SGB II ist bei Personen, die in einer Bedarfsgemeinschaft leben, auch das Einkommen und Vermögen des Partners zu berücksichtigen. Zur Bedarfsgemeinschaft eines erwerbsfähigen Hilfebedürftigen gehört u.a. sein "Partner" (§ 7 Abs. 3 Nr. 3 SGB II). "Partner" ist dabei legaldefiniert als der nicht dauernd getrennt lebende Ehegatte oder Lebenspartner (i.S.d. LPartG) sowie der Lebensgefährte. Letzterer wird seit einer Änderung durch das Gesetz zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitssuchende vom 20.7.2006 umschrieben als "eine Person, die mit dem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in einem gemeinsamen Haushalt so zusammenlebt, dass nach verständiger Würdigung der wechselseitige Wille anzunehmen ist, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen". Die vorgenannte Neuregelung durch das Gesetz vom 20.7.2006 ist nicht rein terminologisch-ästhetischer Natur, sondern Reaktion auf Auslegungs- sowie Verfassungsmäßigkeitszweifel und praktische Umsetzungsschwierigkeiten der Anrechnungs- und Bedürftigkeitsprüfung im Hinblick auf eheähnliche Gemeinschaften.
Rz. 6
Nach dem Inkrafttreten des SGB II zum 1.1.2005 entsprach es einhelliger Auffassung in der Wissenschaft sowie der Verwaltungs- und der ganz überwiegenden Gerichtspraxis, dass "eheähnliche" Gemeinschaft nur eine heterosexuelle Verbindung, nicht dagegen eine homosexuelle sein könne. Diese Lesart hat der Gesetzgeber für die Vergangenheit bestätigt und für die Zukunft korrigiert. In einem Beschl. v. 16.2.2005 hat das SG Düsseldorf die damit verbundene Ungleichbehandlung verschieden- und gleichgeschlechtlicher freier Verbindungen als Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) eingestuft. Diese Entscheidung löste starke Resonanz in der Tagespresse und der Fachwelt aus und fand sogar Eingang in die Gesetzesbegründung des Entwurfs eines Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitssuchende. Wenngleich die Beschwerdeinstanz, das LSG Nordrhein-Westfalen, im Beschl. v. 21.4.2005 diese verfassungsrechtlichen Zweifel nicht geteilt hat, erwies sich die Regelung als äußerst streitanfällig.
Rz. 7
Hinzu kam – aus praktischer Sicht noch bedeutender –, dass vor wie zunächst nach dem Inkrafttreten des SGB II die Beweislast für das Bestehen einer eheähnlichen Gemeinschaft nach der gesetzlichen Verteilung der Feststellungslast bei dem Leistungsträger lag. Allerdings war in der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte, die bis zum 31.12.2004 zuständig waren, eine Tendenz zur Objektivierung des Kriteriums der "Einstehens- und Verantwortungsgemeinschaft" im Sozialhilferecht und zu einer Verschiebung der Beweislast zu Lasten der Lebensgefährten zu erkennen. Auch wenn das BVerwG in einem nicht veröffentlichten Nichtzulassungsbeschluss vom 24.6.1999 vor einer Beweislastumkehr zu Lasten in eheähnlicher Gemeinschaft lebender Personen gewarnt hatte, tendierte die Rechtsprechung insbesondere der Oberverwaltungsgerichte unverkennbar zu einer Vermutung der Bedarfsdeckung innerhalb nichtehelicher Lebensgemeinschaften. Der VGH Mannheim hat in einem vielbeachteten und als Grundsatzentscheidung angelegten Urt. v. 14.4.1997 entschieden, dass das entscheidende Kriterium für das Bestehen einer "Einstehens- und Verantwortungsgemeinschaft" die zwischen den Beteiligten bestehende Wohngemeinschaft sei. Müsste sich der Träger der Sozialhilfe mit nicht nachprüfbaren Erklärungen der Lebensgefährten begnügen, sei eine durch Art. 6 Abs. 1 GG verbotene faktische sozialhilferechtliche Schlechterstellung der Ehe gegenüber der nichtehelichen Lebensgemeinschaft im Verwaltungsvollzug unvermeidbar. Daher seien an eheähnliche Gemeinschaften die gleichen Nachweisanforderungen wie an Eheleute zu stellen und nicht auf innere Tatsachen, sondern auf äußere Indizien abzustellen. Nach einem Beschluss des BayVGH vom 16.1.2002 war § 122 S. 1 BSHG die Vermutung zu entnehmen, dass die Partner einer eheähnlichen Gemeinschaft ebenso füreinander einstehen wie die in intakter Ehe lebenden Personen.
Rz. 8
Die Praxis der seit 1.1.2005 zuständigen Sozialgerichte neigte dagegen dazu, an den Nachweis für das Bestehen einer eheähnlichen Gemeinschaft sehr hohe Anforderungen zu stellen. Es genügte ihr nicht, dass sich die Parteien selbst als "Lebenspartner" bezeichneten. Teilweise wurde sogar in der Regel eine Mindestdauer der Beziehung von drei Jahren verlangt.
Rz. 9
In Reaktion auf Erfahrungen mit den erheblichen Schwierigkeiten beim Beweis eheähnlicher...