Rebecca Vollmer, Dr. Wolfgang Dunkel
Rz. 216
Das Risiko der Arbeitslosigkeit ist nicht versichert. Dies leitet der BGH daraus ab, dass lediglich eine Berufsunfähigkeit "infolge" von Gesundheitsstörungen gemäß § 2 Abs. 1 BUZ zu einem entsprechenden Leistungsanspruch führt. Der Versicherungsnehmer muss aber potenziell die Möglichkeit haben, im Vergleichsberuf eine freie Stelle zu finden. Zur Beurteilung der Möglichkeit eines Versicherten, am Arbeitsmarkt eine Verweisungstätigkeit erhalten zu können, ist auf den Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalls abzustellen.
Rz. 217
Für eine zulässige Verweisung muss es daher bezüglich der Verweisungstätigkeit einen Arbeitsmarkt geben. Dies gilt in allgemein-objektiver Hinsicht für die Situation aller Beschäftigungssuchenden und in konkret-subjektiver Hinsicht für die Situation des Versicherten. Es muss festgestellt werden können, dass ein allgemeiner Zugang zur Verweisungstätigkeit für Personen gegeben ist, die über gleiche Kenntnisse und Fähigkeiten wie der Versicherte verfügen. Der Versicherte muss weiter sowohl die individuellen körperlichen und fachlichen Fähigkeiten zur Ausübung des aufgezeigten Vergleichsberufes besitzen als auch tatsächlich in der Lage sein, sein Restleistungsvermögen auf dem Arbeitsmarkt zur Erzielung von Erwerbseinkommen einzusetzen.
Rz. 218
Es muss sich bei der Verweisungstätigkeit zudem um eine reguläre und unbefristete Stelle des ersten Arbeitsmarktes handeln. Auf Wiedereingliederungsmaßnahmen oder befristete Arbeitsverhältnisse muss sich der Versicherte nicht verweisen lassen.
Rz. 219
In den Bereich des nicht versicherten Risikos der jeweiligen Arbeitsmarktlage fällt die Kündigungssicherheit des neuen Arbeitsplatzes. Ebenso bleibt es allein das Risiko des Arbeitnehmers, ob er nach einer erfolgreichen Umschulung einen Arbeitsplatz im gewählten Berufsfeld findet.
Rz. 220
Hindern einen Versicherten seine gesundheitlichen Beeinträchtigungen zwar aus medizinischer Sicht nicht an der Ausübung des Verweisungsberufes, hat er aufgrund seines Gesundheitszustandes dennoch keine reelle Chance, das Anforderungsprofil potentieller Arbeitgeber zu erfüllen, so ist nicht lediglich das Arbeitsplatzrisiko betroffen. Es liegt vielmehr ein Fall vor, bei dem es auch um die Frage des Vorliegens einer realistischen Beschäftigungschance auf dem Arbeitsmarkt geht. Eine Verweisung ist dann unzulässig. Je geringer das Anforderungsprofil der Stelle und je größer die Anzahl der offenen Stellen, desto weniger wird ein Versicherter mit der Einwendung gehört werden können, er habe keine Chance, eingestellt zu werden. Es gibt nämlich grundsätzlich keine allgemeine Regel, dass ältere Bewerber oder solche mit gesundheitlichen Einschränkungen bei der Konkurrenz um eine freie Stelle stets benachteiligt sind.
Rz. 221
Ein Versicherter kann nicht auf einen Beruf verwiesen werden, den er zwar aufgrund seiner Vorbildung und trotz seiner gesundheitlichen Probleme ausüben könnte, für den er aber bei der arbeitsrechtlich gebotenen Offenlegung seines Gesundheitszustandes faktisch nicht eingestellt wird. In einem solchen Fall gibt es für den Versicherungsnehmer mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen überhaupt keinen Arbeitsmarkt. Er kann daher aus gesundheitlichen Gründen die Verweisungstätigkeit nicht ausüben. Darlegungs- und beweispflichtig ist insoweit der Versicherungsnehmer. Wenn die Bundesagentur für Arbeit die Vermittelbarkeit nicht ausschließt, aber für nicht wahrscheinlich hält, muss sich die versicherte Person gleichwohl in ausreichendem Umfang vergeblich bemüht haben, im Verweisungsberuf einen Arbeitsplatz zu finden. Entscheidend ist, ob der Versicherte konkret noch befähigt ist, seine Arbeitskraft in zumutbarer Weise wertbildend einzusetzen.